Mode in der DDR war ein Statement, bedeutete Haltung und war nie frei von einer politischen Dimension. Wer selbst genähte Sachen trug, eroberte sich Individualität im DDR-Kollektiv zurück, denn Mode in der DDR sollte keine persönliche Entscheidung sein. Der Staat als "Trendsetter" diktierte auch in Sachen Mode die Richtung, Individualität war da nicht gefragt.
Praktisch, preiswert, langlebig und vor allem planbar sollte die Mode in der DDR sein.
Studierte Modedesigner, die für die staatliche Modeindustrie arbeiteten, waren fest angestellt, unter anderem im Modeinstitut der DDR, und mussten sich an den Gegebenheiten orientieren, die dem wirtschaftlichen Mangel geschuldet waren. Das bedeutete nicht unbedingt einen Mangel an Ideen, auf jeden Fall aber den Mangel an Möglichkeiten für deren Umsetzung und an gutem Material.
Zwar wurden zweimal im Jahrmodische Kreationen des Modeinstitutes durch Musterkollektionen in Modezeitschriften, auf Modenschauen und im Fernsehen vorgestellt, jedoch wurden sie fast nie so produziert. Am Ende kamen oft große Mengen Hosen, Pullis, Blusen und Kleider in die Geschäfte, deren Qualität, Muster und Schnitte einen nicht gerade jubeln ließen. Das Angebot galt vor allem bei jungen Menschen als uncool und nur schwer zu akzeptieren. Neuen Trends hinkte die Planwirtschaft schon deshalb stets hinterher, weil im Zwei-Jahres-Rhythmus produziert wurde – da war das meiste längst nicht mehr "in", wenn es endlich in den Geschäften hing.
Um den Bedarf an moderner modischer Kleidung zu befriedigen, hätte die eh schon hochverschuldete DDR jährlich bedeutende Summen für den Import aus dem nichtsozialistischen Ausland aufwenden müssen.
Zu dem tristen Angebot in den regulären Geschäften gab es noch die Alternative, die sehr exklusiven und teuren Kleidungsstücke aus dem Exquisit oder echte Westprodukte im Intershop zukaufen. Doch nicht alle Menschen verfügten über Devisen. So mancher hatte aber Westverwandtschaft, die die begehrten Sachen wie z.B. eine Levis-Jeans in Westpaketen schickte.
Wer individuell und modisch gekleidet sein wollte, sich der von der Planwirtschaft diktierten Mode nicht anpassen wollte, musste also selbst kreativ werden. Innerhalb der DDR lieferten Frauenzeitschriften wie "Pramo" (Praktische Mode) und "Sibylle" Modeserien und dazu passende Schnittbögen, die als Vorlagen zum Selbstschneidern dienten. Eine Nähmaschine gehörte zu fast jedem Haushalt und beim Selbstentwerfen holte man sich seine Inspiration aus internationalen Musikvideos und Filmen oder orientierte sich an Mode aus London, Paris und New York.
Anfang der 1980er Jahre entstand vor allem in den größeren Städten ein Parallelmarkt, der eine Alternative zum Angebot in den Bekleidungsgeschäften der DDR bot.
Mode wurde nicht nur privat in kleinen Werkstätten produziert und auf den Märkten verkauft, vor allem die Mode-Perfomances der alternativen Szene bildeten ein Ventil für diese kreativen Gruppen und ihr Publikum. Befeuert durch fehlende Möglichkeiten, die modische Individualität auszuleben sowie die Mangelwirtschaft der DDR, gründeten sich „chic, charmant & dauerhaft" (ccd) und „Allerleirauh“, „Omelette Surprise“, „Stattgespräch“ und viele weitere. Vor allem „ccd“ und „Allerleirauh“ entwarfen irre Kostüme aus unüblichen oder zweckentfremdeten Materialien und vermittelten in ihren Shows das Gefühl von einer freien Welt. Das Publikum bestaunte eine exzentrische Sphäre jenseits der Alltagsmode. Tabus wurden gebrochen, Coming-Outs öffentlich zelebriert. Neben den DDR-Punks oder Gothics, die ähnlich wie im Westen ihre Unangepasstheit schonungslos und sichtbar demonstrierten, war das die elegantere Form des politischen Widerstandes.
#5 Marko: (N)Ostalgie