Arzt

Beschäftigte (M/W)

Männlich & Weiblich

Ausbildungsdauer (Monate)

60

Schulabschluss (Klassen)

12

DDR, 1983 Arzt beim Abhören eines Kleinkindes in Karlsdorf, Bezirk Neubrandenburg Quelle: © Deutsche Fotothek / Karl-Heinz Böhle

Eigenschaften des Berufes

Kreativität

Kommunikation

Bewegung

Soziales

Gehalt

Politik

Zu DDR-Zeiten war Arztsein kein Zuckerschlecken

Dem Gesundheitswesen wurde in der DDR eine hohe politische Bedeutung zugemessen. Einheitlichkeit und allgemeine Zugänglichkeit in der Versorgung sowie Kostenfreiheit sollten die Akzeptanz des Sozialismus stärken. Der Arzt galt somit als ein wichtiger Stellvertreter und Repräsentant dieses Systems. Er praktizierte in Krankenhäusern, Polikliniken, in Ambulatorien, aber auch in Betrieben.

In der DDR herrschte Ärztemangel. Die Ärzte waren durch lange Dienstzeiten und schlechte Arbeitsbedingungen häufig physisch und psychisch überlastet. Besonders viele junge Ärzte stellten deshalb einen Ausreiseantrag.

1985 kam im Durchschnitt auf 439 DDR-Bürgerinnen und -Bürger ein Arzt.

Öffentlich wurden die massiven Probleme in der Gesundheitsbetreuung verschwiegen. „Die Erwartungshaltung unserer Patienten ist durch die Presse der DDR sehr hoch“, äußerte ein Leipziger Arzt 1988 in einer Stadtbezirksversammlung. „Aber das stimmt mit der Realität im Gesundheitswesen nicht überein, und wir können diese Erwartungen oft nicht erfüllen“.


Aus dem Deutschen Ärzteblatt, Jg. 111, Heft 9

Arztzimmer im Altersheim in Berlin-Pankow, DDR, 1969, Quelle: © Deutsche Fotothek / Norbert Vogel

Kriterien des Berufs

Einstellungsvoraussetzungen

Für ein Medizinstudium brauchte man ein sehr gut abgeschlossenes Abitur. Doch selbst wenn man dieses vorweisen konnte, war noch nicht gewährleistet, dass man auch tatsächlich einen Medizinstudienplatz bekam. Denn trotz Ärztemangels in der DDR standen nicht ausreichend Studienplätze zur Verfügung. Bei der Vergabe der Studienplätze war auch die „politische Zuverlässigkeit“ ein entscheidendes Kriterium.

Der 1976 in Kraft getretene Studienplan bestimmte auch das Medizinstudium in den 1980er Jahren. Demnach musste vor dem Studium ein Vorpraktikum in der Krankenpflege absolviert werden. Seit 1983 konnten in diesem Rahmen auch vier Wochen in einem forschenden oder hygienischen Institut gearbeitet werden. Das Vorpraktikum umfasste für weibliche Studienanwärter ein Jahr, für männliche, die zuvor einen 18-monatigen Wehrdienst abgeleistet hatten, fünf Monate und für diejenigen, die sich für eine Armeezeit von drei oder vier Jahren verpflichtet hatten, nur zwei Monate.

Portrait eines Arztes im Labor in Karlsdorf, Bezirk Neubrandenburg, DDR, 1980
Quelle: © Deutsche Fotothek / Karl-Heinz Böhle
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Arbeitsfelder

Das Arbeitsfeld eines Arztes hing von seiner Spezialisierung ab. Ein Allgemeinmediziner arbeitete häufig in Polikliniken oder in ambulanten Praxen, ein Chirurg meistens im Krankenhaus.

1986 arbeiteten 30% der Ärzte in der nicht stationären medizinischen Versorgung.

Ergänzend zu den medizinischen Einrichtungen garantierte das Gesundheitswesen die arbeitsmedizinische Versorgung in großen Betrieben und Kombinaten. Seit 1971 übernahmen die Betriebsärzte neben der arbeitsmedizinischen zudem die medizinische Betreuung der Betriebsangehörigen und ihrer Familien. Das Betriebsarztsystem stellte einen wichtigen Pfeiler der ambulanten medizinischen Versorgung der Bevölkerung dar. Es ermöglichte neben einem schnellen Zugang auch eine berufsspezifische, fachübergreifende medizinische Betreuung am Arbeitsort.  

Gynäkologische Station Wurzen, 1988
Quelle: © Deutsche Fotothek / Gerhard Weber  
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Aus- und Weiterbildung / Karriere

Das Studium umfasste sechs Jahre, wobei das sechste Studienjahr als klinisches Praktikum durchgeführt wurde. Vorlesungen und Seminare besuchten die Studentinnen und Studenten zunächst in den grundlegenden medizinischen (z.B. Anatomie, Physiologie oder Histologie) und relevanten naturwissenschaftlichen (z.B. Biologie, Physik und Mathematik) Fächern, aber auch in marxistisch-leninistischer Philosophie oder politischer Ökonomie. Das zweite Studienjahr wurde mit dem Physikum abgeschlossen. Danach folgte das Studium der speziellen medizinischen Fächer wie Innere Medizin, Chirurgie, Gynäkologie, Pathologie usw. Zum Studium gehörten verschiedene Berufspraktika (Pflegepraktikum im Sozialwesen, Laborpraktikum, Praktikum in einem theoretischen Institut). Seit dem Studienjahr 1987/88 wurde zudem das Studienfach Medizinische Informatik etabliert. Die Studentinnen und Studenten eines Studienganges waren in Seminargruppen zusammengefasst, die während des gesamten Studiums bestehen blieben. Jeder Gruppe wurde ein Seminarbetreuer – ein Mediziner oder Wissenschaftler aus einem verwandten Fachgebiet wie z.B. der Biophysik – von der Universität zugeteilt.

Neben den Prüfungen in den einzelnen Fächern, musste in der DDR seit 1969 während des Medizinstudiums eine umfangreiche wissenschaftliche Forschungsarbeit in Form einer Diplomarbeit geschrieben werden. Dies war eine Besonderheit im Vergleich zum Medizinstudium in der Bundesrepublik. Sie war Voraussetzung für den Abschluss des Studiums und für eine spätere Dissertation.

Die Absolventen der medizinischen Fakultäten in der DDR erhielten deshalb den akademischen Grad eines Diplom-Mediziners, den es in der Bundesrepublik nicht gab.

Die jungen Ärzte konnten sich ihren Arbeitsplatz nicht selbst aussuchen, sondern wurden mit der in der DDR üblichen Absolventenlenkung an ihre Arbeitsstätten vermittelt.

Während der Facharztausbildung konnten sie dann in ihrem Spezialgebiet promovieren oder, wenn sie in die Forschung gehen oder lehren wollten, auch habilitieren.

Kongress der Gesellschaften für perinatale Medizin und Pädiatrie der DDR im Hygiene Museum in Dresden, 1970
Quelle: © Deutsche Fotothek/ Richard Peter jun.  
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Gehalt & Bedeutung für die Volkswirtschaft

Ein Arzt hatte in der DDR ein vergleichsweises hohes Einkommen. Das Durchschnittseinkommen einer berufstätigen Person betrug Mitte der 1980er Jahre ca. 800 – 1000 Mark. Bereits als Berufseinsteiger verdienten Ärzte 830 Mark. Das steigerte sich im Laufe der Berufsjahre. Als Stationsarzt verdiente man ab dem fünften Jahr 1100 Mark, nach 30 Jahren 1450 Mark. Als Chefarzt hingegen startete man im fünften Jahr bereits mit 1600 Mark und landete nach 30 Berufsjahren bei 1950 Mark, mit Luft nach oben. Krankenhausdirektoren, Kreis- oder Bezirksärzte verdienten fast das Doppelte eines Stationsarztes. Im Zeitraum von 1970 bis 1989 betrug der Anteil an Frauen in der Ärzteschaft der DDR über 50 Prozent und lag damit weit über dem in der Bundesrepublik (28 Prozent). Trotz des deutlichen Ärztemangels waren private Arztpraxen äußerst selten. 1989 waren von knapp 40.000 Ärzten nur 340 Ärzte in einer eigenen Praxis tätig. Der Aufbau einer privaten Praxis war meist nur durch familiäre Übernahme einer bereits bestehenden Praxis möglich. Denn das Gesundheitswesen der DDR stand unter staatlicher Leitung und die medizinischen Einrichtungen damit in zentraler Trägerschaft des Staates.

Sowohl die medizinische Behandlung durch Ärzte oder Therapeuten als auch die von Ärzten verschriebenen Medikamente waren kostenlos. Flächendeckende medizinische Einrichtungen, auch im ländlichen Bereich, und ein breites Angebot an Vorsorge- und Reihenuntersuchungen sowie Beratungsstellen wie die Mütterberatung gehörten zu den als positiv wahrgenommenen Seiten des DDR-Gesundheitssystems. Dem gegenüber standen jedoch der Mangel an Arznei- und Verbandsmaterialien, veraltete medizinische Ausstattungen und eine häufig marode Bausubstanz der Krankenhäuser. Außerdem war die DDR auch im medizinischen Bereich stark von der Bundesrepublik abhängig. Hilfeleistungen durch die Bundesrepublik, u. a. für die Lieferung von medizinischen Verbrauchsmaterialien, Arzneimitteln, Medizintechnik, Krankentransportfahrzeugen, Dialysetechniken und Ausgleichszahlungen für BRD-Ärzte, die in der DDR arbeiteten, sowie für Akut- und Spezialbehandlungen von DDR-Bürgerinnen und -Bürger waren z.B. für das Jahr 1990 mit 500 Millionen DM angesetzt.  

Besuch der Schulzahnärztin, 1976 in Grimma, Bezirk Leipzig, DDR
Quelle: © Deutsche Fotothek / Gerhard Weber
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Transformation

Nach 1989 wurde der Studienplan für die Medizinerausbildung reformiert, zuerst die Lehrveranstaltungen in Marxismus-Leninismus, Sport und Militärmedizin abgeschafft und der Sprachunterricht als fakultativ eingestuft. Mit der Wiedervereinigung wurde das Studium an die bundesdeutsche Approbationsordnung angepasst.

Der überwiegende Teil der Mediziner konnte nach der Wiedervereinigung seine Arbeit uneingeschränkt fortsetzen und sich in das Gesundheitssystem der Bundesrepublik integrieren. Vielen Ärztinnen und Ärzten war es nun möglich, eigene Praxen zu eröffnen. Diskussionen gab es darüber, ob der Diplomabschluss eines Arztes aus der DDR einem Doktortitel in der Bundesrepublik entsprechen würde, da die Diplomarbeit eine eigenständige wissenschaftliche Forschungsleistung darstellte.

Eine solche Gleichstellung ist aber bis heute nicht erfolgt.

Ein Arzt und ein Mitglied des Streikkomitees kümmern sich um einen im Hungerstreik kollabierten Häftling im Bautzener Gefängnis, Dezember 1989 einen Monat nach Maueröffnung
Quelle: © IMAGO / Werner Schulze  
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Extra 1

Polikliniken waren ambulante Behandlungszentren mit fest angestellten und vom Staat entlohnten Ärzten verschiedenster Fachrichtungen in einer Art sozialistischer „Großpraxis“. Allgemeinmediziner, Gynäkologen, Augenärzte, Zahnärzte, Hautärzte, Orthopäden etc. praktizierten quasi Tür an Tür. Die Vorteile einer solchen medizinischen Betreuung schienen sowohl für die Patienten als auch für die Ärzte auf der Hand zu liegen. Die Patienten hatten einerseits keine langen Wege von Arzt zu Arzt und die Ärzte andererseits konnten teure medizinische Geräte gemeinsam nutzen. Durch in der Poliklinik vorhandene Labore oder Röntgenabteilungen wurden Doppeluntersuchungen vermieden. Zudem existierte nur eine einzige Patientenakte, auf die sämtliche Ärzte jederzeit Zugriff hatten. Doch die Realität offenbarte auch Nachteile. Es gab durch die festangestellten Ärzte, die im Dienstplan ständig wechselten, selten ein verbindliches Arzt-Patienten-Verhältnis, wie man das heute kennt.

Medizinische Versorgung in der Betriebspoliklinik des VEB Rohrkombinat Stahl- und Walzwerk „Karl Marx“ in Riesa, 1983
Quelle: © Deutsche Fotothek / Eugen Nosko  
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Extra 2

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Noch mehr Informationen

Alle Quellen zum Beruf sowie eine ausführlichere Beschreibung findet Ihr hier in diesem PDF.
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Spannendes aus der DDR BOX