Gärtner war ein Ausbildungsberuf, der Spezialisierungen zur Landschaftsgestaltung, zur Pflanzen- und Zierpflanzenproduktion oder zur Obst- und Gemüseproduktion bei den Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG) sowie für Tätigkeiten in Baumschulen in der Forstwirtschaft ermöglichte. Wir beschreiben euch hier nicht nur einen Beruf, sondern auch eine Nische, die in der DDR häufig von Menschen genutzt wurde, die durch das politische bzw. ideologische Raster gefallen waren und in einer Arbeit abtauchen konnten oder mussten, die meistens von kirchlichen Institutionen angeboten wurde: die Tätigkeit als Friedhofsgärtner.
„Sie sperrten meine Kaderakte. Kein Betrieb durfte mich ohne diese Akte einstellen, nur kirchliche, die mit Ausreiseantragstellern ohnehin überfüllt waren. Ich wollte aber damals gar nicht raus aus der DDR. Schließlich nahm mich die Jüdische Gemeinde. Ich wurde als gärtnerische Hilfskraft und Totengräber auf einem der größten erhaltenen jüdischen Friedhöfe Europas in Berlin-Weißensee eingestellt.“
Burkhard Balzer, 1980
Der klassische Gärtnerberuf verlangte einen Abschluss der zehnten Klasse sowie Ausdauer, Entschlussfreudigkeit, Einfühlungsvermögen und einen guten Gesundheitszustand. Wetterunempfindlichkeit und ein allgemeines Interesse an Natur und Pflanzen waren von Vorteil.
Gärtner im Gewächshaus vor Alpenveilchen in der Gärtnerischen Produktionsgenossenschaft GPG „Berlin-Treptow“, ein Spezialbetrieb für Zierpflanzen und Treibgemüse 1977, DDR
Quelle: © ddrbildarchiv / Axel Lenke
Im real existierenden Sozialismus arbeitete man nach beendeter Ausbildung zum Gärtner je nach Spezialisierung entweder in den staatlichen Parks und Gärten der DDR oder in den Gewächshäusern sowie auf den Feldern der LPG und kümmerte sich um den Anbau und die Ernte der typischen saisonalen Gemüsesorten oder überwachte die Champignonproduktion. Als Friedhofsgärtner hingegen war man auf den meist kirchlichen Friedhöfen der DDR damit beschäftigt, alte Gräber und Grabmale zu pflegen oder zu reparieren, Wege begehbar zu halten oder Bäume und Sträucher zu stutzen. Dabei ging es eher um das Verhindern des totalen Verfalls der teilweise über 100 Jahre alten Friedhöfe, denn um die Neugestaltung des Ortes.
Berliner Steinmetze restaurieren in freiwilliger Arbeit auf verschiedenen Friedhöfen der Stadt Grabsteine. Handwerker aus 15 genossenschaftlichen und privaten Betrieben unterstützen mit ihrer Arbeit auf dem Jüdischen Friedhof in der Schönhauser Allee die Denkmalspflege. Rund 40 Grabsteine wurden aufgerichtet und gereinigt.
Quelle: © Bundesarchiv Bild 183-1989-1016-031 / Peter Roeske
Die Ausbildung zum Gärtner dauerte zwei Jahre. Während dieser Zeit spezialisierte man sich auf eines der genannten Arbeitsfelder. Durch ein Selbststudium, im Rahmen der Betriebsakademie oder den Besuch von Spezialisierungslehrgängen, z. B. für bestimmte Pflanzenarten, konnte man sich innerhalb des Berufes weiterqualifizieren. Bei guten fachlichen und gesellschaftlichen (d.h. Engagement in der Einheitspartei SED oder staatlichen Organisationen) Leistungen, konnte man sich vom Betrieb zu entsprechenden Lehrgängen und Schulungen delegieren und sich zum Spezialisten z. B. für spezielle technologische Verfahren oder das Bedienen von Maschinen und Anlagen ausbilden lassen. Es war möglich, sich bis zum Meister zu qualifizieren oder berufsbegleitend das Abitur zu machen, um danach ein Ingenieurstudium zu beginnen. Die Ausbildung zum Gärtner wurde auch von der evangelischen Kirche angeboten. In den Hoffnungstaler Anstalten bei Berlin, der größten kirchlichen Einrichtung für Menschen mit Beeinträchtigungen in der DDR, gab es z.B. 1963 zehn Ausbildungsplätze.
Wenn das Friedhofspersonal nicht ausreicht: Schüler pflegen Gräber auf dem Neuen Israelischen Friedhof in Dresden 1988, DDR
Quelle: © IMAGO / Ulrich Hässler
Am Anfang der DDR befanden sich viele Friedhöfe im Eigentum christlicher Kirchen. Beerdigungen und Trauerfeiern wurden in den meisten Fällen noch von Pfarrern gehalten. Die Mehrzahl der Grabsteine zeigten christliche Symbole. Häufig war auch an der Aufmachung der Gräber, vom einfachen Holzkreuz bis zum Mausoleum, der soziale Status der beerdigten Personen erkennbar, was gegen das Prinzip der Gleichheit aller Menschen im Sozialismus sprach. Beides wollte der DDR-Staat ändern: Die christliche Symbolik sollte möglichst aus dem öffentlichen Raum verschwinden und Form und Umfang der Grabstelle sollten keine Rückschlüsse auf Status und Vermögen der Verstorbenen mehr erlauben. Man plante daher ab den 1960er Jahren neue Gestaltungsgrundsätze auf den kommunalen Friedhöfen, um Grabanlagen zu schaffen, die dem Ziel einer klassenlosen Gesellschaft dienten. Zum Ende der DDR befanden sich trotzdem noch 60% aller Friedhöfe in kirchlicher Hand, standen somit nicht unter staatlicher Kontrolle und waren den angestrebten Umgestaltungsprozessen damit nicht unterworfen. So gehörten auch ein Anzahl Friedhofsgärtnereien zum kirchlichen Besitz. Hier arbeiteten neben ausgebildeten Gärtnern häufig auch Akademiker und Menschen aus anderen Berufen, die wegen ihrer offen geäußerten und im Widerspruch zur Staatspolitik stehenden Einstellung Berufsverbot erhalten hatten. Oder auch Männer und Frauen, die einen Antrag auf ständige Ausreise aus der DDR (Ausreiseantrag) gestellt hatten und ihre eigentlichen Tätigkeiten deshalb nicht mehr ausführen durften. Als ungelernte Mitarbeiter verdienten sie in den Friedhofsgärtnereien weniger als Facharbeiter, die um die 600 bis 800 Mark erhielten. Das Einkommen war unterdurchschnittlich. Meistens war die Bezahlung für den Friedhofsgärtner jedoch zweitrangig. Die Sicherheit, mit einer anderen politischen Meinung als gewünscht nicht auf dem Präsentiertisch der Personalabteilungen in den Betrieben zu landen, war deutlich wichtiger. Grundnahrungsmittel und Mieten waren in der DDR wirklich günstig, man kam mit dem Geld über die Runden. Dazu bestand Arbeitspflicht. Wer sich keine Arbeit suchte oder versuchte, sich zugewiesener Arbeit zu entziehen, konnte nach §249 des Strafgesetzbuches der DDR (StGB) für asoziales Verhalten inhaftiert werden. Für politisch Andersdenkende, Oppositionelle und diskreditierte Künstler und Künstlerinnen, die gesellschaftlich und beruflich ins Abseits gestellt wurden, gab es durchaus die Angst vor einer derartigen strafrechtlichen Verfolgung.
Friedhofsarbeiter des Jüdischen Friedhofs Schönhauser Allee, Prenzlauer Berg, 1985, DDR
Quelle: © Ostkreuz / Jürgen Hohmuth
Die Kirchen waren für den Staat zwar ein ideologischer Gegner, doch waren gleichzeitig seitens des Staates auch immer wieder Tendenzen vorhanden, nicht in die offene Auseinandersetzung mit ihnen zu treten. Auch deshalb war es möglich, dass unter dem Schutz der evangelischen Kirche schätzungsweise ein Drittel der ehemals führenden Oppositionellen der DDR Arbeit außerhalb der offiziellen Arbeitsgesellschaft fanden. Natürlich wurden die Pfarrer unter Druck gesetzt, Personen, die nicht bereit waren, sich der sozialistischen Norm anzupassen, nicht einzustellen.
Nach den politischen Umbrüchen 1989/90 und der Wiedervereinigung mussten sich die Menschen, die zu DDR-Zeiten als Friedhofs- oder Hilfsgärtner arbeiteten, nun nicht mehr verstecken und konnten in ihren ursprünglichen Beruf zurückkehren.
Überwuchertes Mausoleum auf dem Jüdischen Friedhof in Berlin-Weißensee 1982, DDR
Quelle: © Bundesstiftung Aufarbeitung / Harald Hauswald
Die Berliner Mauer trennte zu DDR-Zeiten mehrere Friedhöfe voneinander. Die Liesenstraße zwischen den Bezirken Berlin-Mitte und Berlin-Wedding lief durch 4 nebeneinander liegende Friedhöfe, u.a. durch den Domfriedhof und den französischen Friedhof. Große Teile des katholischen Domfriedhofs wurden für den 40 m breiten Mauerstreifen einfach plattgewalzt. Die Gräber wurden ohne Verlegung der sterblichen Überreste in ein anderes Grab entfernt. Aus einigen Grabsteinen wurden Teile des Kolonnenwegs gebaut.
Besuchen durften diese Friedhöfe nur die direkten Angehörigen und auch nur mit strengen Auflagen, da in den 1960er Jahren nach dem Mauerbau viele Menschen versuchten, über die Friedhöfe zu flüchten.
Innerdeutsche Grenze in Berlin direkt am Friedhof Liesenstraße - das bedrückt sogar die Engel, 1982, DDR
Quelle: © IMAGO / Günter Schneider
#1 Katharina: Das zweite Zuhause