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Westverwandtschaft

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„Riecht wie ein West-Paket“ war ein gängiger Spruch für etwas sehr Verführerisches. Nicht alle Menschen in der DDR hatten Verwandtschaft in der Bundesrepublik und ein Westpaket zu bekommen war etwas sehr Besonderes. In vielen Familien wurde das Öffnen eines Pakets aus dem anderen Teil Deutschlands regelrecht zelebriert. Wie bei einem Ritual saßen alle im Kreis und dann wurde gewürfelt, wer die Schnur aufknüpfen darf.

Da es nach dem Mauerbau im Jahr 1961 für Menschen in der DDR schwierig bis unmöglich war, ihre Verwandtschaft in der Bundesrepublik zu besuchen, schickte man sich eben Briefe und packte in die Pakete von West nach Ost allerhand rein, was das Herz erfreute und in den Geschäften der DDR schwer zu erhalten war: Kaffee, gute Schokolade, Feinstrumpfhosen und Kaugummis, Matchbox-Autos oder fein duftende Seife. Auch lagen häufig Jeans oder gute Wollpullover dabei oder auch mal eine Zeitung oder Musikkassette. Letzteres wurde durch die sehr engmaschigen Postkontrollen des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) sofortbeschlagnahmt und vernichtet, denn die Menschen in der DDR könnten ja durch kapitalistische Medien ideologisch beeinflusst werden. Mehr als 2000 Mitarbeitende des MfS durchsuchten zum Ende der DDR täglich Briefe und Pakete und allein im Zeitraum von 1984–1989 wurden dabei 32,8 Millionen D-Mark aus diesen Postsendungen entwendet und einbehalten. Auch die Westverwandten selbst wurden bei der Einreise in die DDR peinlich genau kontrolliert. Für den Staat war diese persönliche Form der Kontakte zur Bundesrepublik ein berechenbarer Baustein in der Devisenbeschaffung. Um das in der DDR-Bevölkerung durch Schenkungen vorhandene Vermögen an D-Mark abzuschöpfen, richtete die DDR sogenannte Intershops ein, in denen die Menschen Konsumgüter aus westdeutscher Produktion und in der DDR hergestellte hochwertige Exportartikel gegen Devisen kaufen konnten.

Menschen mit wichtigen Positionen in der Regierung oder bei den bewaffneten Organen wie der Volkspolizei, der Nationalen Volksarmee oder ebendem MfS, durften übrigens überhaupt keinen Kontakt zu möglicher Westverwandtschaft haben und auch kein Westfernsehen schauen.

Umso spannender war es nach der Maueröffnung, als man sich plötzlich gegenseitig besuchen konnte, ohne Vorschriften und Paketlisten. Da zeigte sich auf beiden Seiten, wer echtes Interesse an der Verwandtschaft hatte oder lediglich aus Pflichtgefühl oder wegen der begehrten Pakete in Kontakt geblieben war.

Ingo Hasselbach - Die Timeline

Hier findet Ihr begleitend zum Hörbuch ein Booklet mit vielen spannenden Fotos und Dokumenten aus seiner Jugend, als Neonazi und nach seinem Ausstieg.
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