Abschnittsbevollmächtigter

Beschäftigte (M/W)

Männlich

Ausbildungsdauer (Monate)

18

Schulabschluss (Klassen)

10

Abschnittsbevollmächtigter in Ost-Berlin, 1975, Quelle: © Roger Melis

Eigenschaften des Berufes

Kreativität

Kommunikation

Bewegung

Soziales

Gehalt

Politik

Der Schutzpolizist:
Dein Freund und Helfer

Ein Abschnittsbevollmächtigter, von der DDR-Bevölkerung kurz als ABV bezeichnet, war ein Polizist, der in einem bestimmten Wohngebiet einer Stadt oder in einem Dorf polizeiliche Aufgaben übernahm. Tägliche Bewegung, Aufmerksamkeit und zahlreiche Kontakte zu seinen Mitmenschen waren sein Alltag. Die Position des ABV wurde 1952 nach sowjetischem Vorbild innerhalb des Dienstzweiges der Schutzpolizei eingeführt. Der ABV hatte ein eigenes Büro mit Sprechzeiten für die Bevölkerung und war im Wohngebiet damit das sichtbarste Symbol der Staatsmacht. Ausgeübt wurde dieser Beruf ausschließlich von Männern.

„Mich reizt an dem Beruf, dass man jeden Tag vor neue Aufgaben gestellt wird. Wichtigste Aufgabe ist dabei das ständige Beobachten des Geschehens, um gewisse Veränderungen in der Umgebung festzustellen. Denn einer Straftat vorzubeugen ist besser als eine Straftat feststellen zu müssen.“

Polizeischüler der DVP-Schule in Neustrelitz, 1985
Der ABV im Gespräch mit FDJlern vor einem Jugendklub der FDJ, Quelle: © DDR Museum / Herrmann, Schmidt, Lösel, Szepan

Kriterien des Berufs

Einstellungsvoraussetzungen

Um die Ausbildung zum Volkspolizisten anzutreten, mussten die Bewerber den Abschluss der 10. Klasse und eine abgeschlossene Berufsausbildung vorweisen können. Sie mussten außerdem ihren Wehrdienst bei der Armee abgeleistet haben und durften nicht rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden sein. Die Mitgliedschaft in einer Ordnungsgruppe der FDJ und/oder in der Staatspartei SED wirkte sich begünstigend auf eine Zusage zur Ausbildung aus, ebenso wie positive Beurteilungen durch die Arbeitsstelle oder durch die SED. Selbstverständlich durften Bewerber sowie deren Partnerinnen keinerlei Westkontakte haben, auch nicht zur eventuell vorhandenen eigenen Verwandtschaft in der Bundesrepublik. Jeder Bewerber und seine dazugehörige Familie wurden durch das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) überprüft.

35. Jahrestag der DDR, Nationales Jugendfestival 1984
Quelle: © Robert-Havemann-Gesellschaft / Volker Doering
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Arbeitsfelder

Der Abschnittsbevollmächtigte (ABV) hatte engen Kontakt zur Bevölkerung im Stadtbezirk, für den er verantwortlich war und in dem er meist auch selbst lebte. Er übernahm polizeiliche Aufgaben wie Verkehrskontrollen oder die Aufnahme von Strafanzeigen und war auf der Straße im Streifendienst stets präsent. Bei jeder Art Beschwerden war er Ansprechpartner für die Bewohnerinnen und Bewohner. Er überwachte ehemalige Strafgefangene, observierte als „verdächtig“ geltende Personen wie Ausländer, neu Zugezogene oder Westreisende und fertigte dazu Einschätzungen und Berichte an. Häufig wurden darin sehr private Details des Arbeits- und Soziallebens, gelegentlich auch politische Ansichten der beobachteten Personen geschildert. Er war auch verantwortlich für die Einhaltung der Meldepflicht, denn jeder Besuch von Westbekannten bzw. -verwandten oder Freunden, die länger als 3 Tage blieben, musste in ein Hausbuch eingetragen werden, welches der ABV überprüfte. Somit war er eng in die staatliche Kontrolle der DDR-Bevölkerung eingebunden.

Da ihre Arbeit dezentral organisiert war, waren die ABV per Dienstanweisung ausdrücklich dazu aufgefordert, beim Lösen von Problemen eigenverantwortlich zu handeln.

Wichtigstes Arbeitsgerät des ABV war das Funkgerät mit bis zu 5 km Reichweite für den Kontakt zu seiner Dienststelle.

Auch Schreibarbeit fällt in diesem Beruf an, Polizist in seinem Büro
Quelle: © Roger Melis
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Aus- und Weiterbildung / Karriere

Die Grundausbildung zum Volkspolizisten erfolgte an einer der Fachschulen der Volkspolizei und dauerte 10 Monate. 5 Monate davon waren theoretische Ausbildung. Unterrichtet wurden Fächer wie z.B. Marxismus-Leninismus, Einsatzausbildung und Fachkunde, welches die Gesetze der DDR und die Befugnisse der Deutschen Volkspolizei behandelte. Anschließend erfolgte ein fünfmonatiges Praktikum. Außerdem beinhaltete die Ausbildung eine Fahrschulausbildung und jede Menge Kraft- und Ausdauertraining. Nachdem sich die Polizeiausbildung zunächst stark an der militärischen Ausbildung orientiert hatte, wurde ab Mitte der 1960er Jahre der Schwerpunkt in der Qualifizierung deutlich stärker auf die besonderen Aufgaben im Polizeidienst gesetzt. Die Spezialausbildung zum ABV erfolgte ab diesem Zeitpunkt in Form einer Kombination von Direkt- und Fernstudium an einer der Bezirksschulen der Volkspolizei oder an der zentralen Schule für Abschnittsbevollmächtigte in Wolfen und dauerte 18 Monate.

Aus dem Buch „Polizei des Volkes“, Auszubildender
Quelle © Verlag Zeit im Bild Dresden, 1985
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Gehalt & Bedeutung für die Volkswirtschaft

Das Gehalt eines Volkspolizisten lag über dem Durchschnittseinkommen, das Mitte der 1980er Jahre ca. 800-1000 Mark betrug. Der ABV war ein Vertreter der Regierung und zuständig für die Durchsetzung der staatlichen Gewalt (Exekutive). Es gab in Großstädten pro Polizeirevier 8-9 Abschnittsbevollmächtige, in Kreisstädten 6-12 ABV.

ABV auf dem Land kontrolliert Maschinenteile für die Ernte
Quelle: © „Polizei des Volkes“,Verlag Zeit im Bild Dresden, 1985  
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Transformation

Nach der Wiedervereinigung wurde die Funktion des ABV abgeschafft. Viele Volkspolizisten quittierten den Dienst, entweder weil sie auch für das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) gearbeitet hatten oder aufgrund mangelnder beruflicher Perspektiven. Eine Weiterbeschäftigung im Polizeidienst stand vor allem den jüngeren Menschen offen. Führungsstellen der neu aufgebauten Landespolizeibehörden wurden hingegen überwiegend von westdeutschen Kollegen besetzt.

Übergangszeit 1994 in Puttbus, Lada der ehemaligen Volkspolizei mit neuem Schriftzug der Bundespolizei
Quelle: © IMAGO / Waldmüller
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Extra 1

Die Volkspolizisten wurden selbst regelmäßig von der Staatssicherheit auf Westkontakte überprüft. Einstellungen, Beförderungen oder Zulassungen zu einem Fachschulstudium mussten von der Staatssicherheit genehmigt werden. Gründe für eine Ablehnung konnten politische Einstellungen, verschwiegene Westkontakte, aber auch kriminelle Delikte sein. Zudem wurden einige ABV direkt von der Staatssicherheit als Inoffizielle Mitarbeiter angeworben. In sehr seltenen Fällen lehnten diese eine Zusammenarbeit ab. Aufgrund dieser Nähe zum Ministerium für Staatssicherheit ist der ABV auch nicht mit einem heutigen Kontaktbereichsbeamten vergleichbar.

Emblem des MfS
Quelle: © Wikipedia
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Extra 2

Die Volkspolizei verfügte zuletzt über rund 80.000 hauptamtliche, fast ausschließlich männliche Polizisten und erhielt Unterstützung von etwa 158.000 freiwilligen zivilen Helfern der VP, von denen rund 10.000 weiblich waren.

Helferin der Volkspolizei, 1986
Quelle: © Robert-Havemann-Gesellschaft / Volker Doering
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Noch mehr Informationen

Alle Quellen zum Beruf sowie eine ausführlichere Beschreibung findet Ihr hier in diesem PDF.
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