Fachverkäufer

Beschäftigte (M/W)

Männlich & Weiblich

Ausbildungsdauer (Monate)

36

Schulabschluss (Klassen)

10

Verkäuferin in Arbeitskleidung, der Kittelschürze, in einem Modegeschäft, DDR zwischen 1970 und 1985, Quelle: © DF / Gerhard Weber

Eigenschaften des Berufes

Kreativität

Kommunikation

Bewegung

Soziales

Gehalt

Politik

Zum Verkaufen muss man „geboren“ sein – allerdings nicht in der DDR  

Fachverkäufer war ein von Schulabgängern in der DDR relativ häufig gewählter Beruf, obwohl der Umgang mit dem immer präsenten Mangel an Konsumgütern den Berufsalltag hier besonders prägte. Schlangestehen vor den Geschäften war ein durchaus typisches Bild. Gleichzeitig sollten Produkte, die weniger beliebt waren, auch ihre Käufer finden, um den Einzelhandel, der ein wichtiger Wirtschaftsfaktor war, am Laufen zu halten. Die Verkäufer in der DDR waren für die Bürgerinnen und Bürger die Verbindung zu seltenen oder schwer zu erhaltenen Konsumgütern wie Farbfernsehgeräte, Waschmaschinen, Rindfleisch, Südfrüchte oder Jeanshosen, die sehr häufig gar nicht erst in den Regalen landeten und als „Bückware“ betitelt (weil der Verkäufer sich dazu sprichwörtlich erst unter den Ladentisch bücken musste, um sie hervorzuholen) und verkauft wurden. Hinter ihnen standen leere Regale, vor ihnen häufig unzufriedene Kunden. Verkäufer wurden nicht am Umsatz beteiligt und waren fast immer bei der staatlichen Handelsorganisation HO oder bei der KonsumGenossenschaft fest angestellt.

„Die Versorgungslage verschlechterte sich stetig. In den 1970er Jahren konnten wir noch Obst verkaufen, das gab es später fast nur noch an Feiertagen. In den letzten Jahren vor der Wende haben wir unsere Warenangebote immer mehr strecken müssen, damit wir die Regale überhaupt noch voll bekamen. Das heißt, wir dehnten den Platz für Marmelade, Mehl, Reis und Nudeln immer mehr aus, weil wir nicht mehr genug Backmischungen, Erbsen, Linsen, Waffeln oder gar Ketchupflaschen hatten.“  


Marion Blumeyer, Fleischfachverkäuferin

Der sozialistische Personenkult. Das Schaufenster eines Fleisch- und Wurstwarengeschäft ist mit Fotos von Erich Honecker, dem Staatsratsvorsitzenden der DDR und Joachim Yhomby-Opango, dem Staatsoberhaupt der Republik Kongo bestückt. Ost-Berlin 1977 , DDR, Quelle: © Bundesstiftung Aufarbeitung / Harald Schmitt

Kriterien des Berufs

Einstellungsvoraussetzungen

Für die zwei- bzw. dreijährige Ausbildung zum Fachverkäufer war der Abschluss der zehnten Klasse notwendig, ansonsten gab es keine speziellen Einstellungsvoraussetzungen. Man sollte eine stabile körperliche Konstitution mitbringen – denn die Arbeit fand häufig im Stehen statt – und keine Scheu vor Kontakten zu anderen Menschen haben. Außerdem musste man im Lebensmittelbereich mit Tierprodukten und Abfällen hantieren. Ekel oder Geruchsempfindlichkeit waren an dieser Stelle also fehl am Platz.

Ironisch von DDR-Bürgern „sozialistische Wartegemeinschaft“ genannt: alltägliche Schlangen vor Geschäften, hier vor der Fleischerei in der Oderberger Straße. Ost-Berlin, DDR, Mitte der 1980er Jahre
Quelle: © Bundesstiftung Aufarbeitung / Harald Hauswald
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Arbeitsfelder

Je nach Spezialisierung lag das Betätigungsfeld des Verkäufers im Lebensmittelbereich, im Bekleidungsfachhandel oder auch im Bereich für Baumaterialien und Ersatzteile für Fahrzeuge und Geräte. Einen großen Teil der Arbeitszeit beanspruchten die vorbereitenden Arbeiten wie z.B. das Umpacken der Ware aus großen Säcken in kleinere Einheiten (Kartoffeln, Äpfel etc.) sowie das Einräumen der Regale. Auch die Dekoration der Schaufenster war den Angestellten überlassen. Je nach Engagement und Kreativität der Belegschaft fiel dann das Ergebnis aus.Regelmäßig stattfindende, von der Mitarbeiterschaft organisierte Veranstaltungen wie z.B. Ausflüge mit dem Schiff oder der Besuch einer Kegelbahn dienten dem Zusammenhalt unter den Kollegen. In der DDR sprach man von Brigadeveranstaltungen, eine Brigade war die Bezeichnung für alle Mitarbeitenden einer Abteilung eines Betriebes.

Arbeitskleidung in Konsum und HO war häufig die berühmte Kittelschürze, die gefertigt war aus einer Polyamidfaser, die in der DDR als Dederon (eine Wortschöpfung aus „DDR“ und der Endung „on“) bezeichnet wurde, in dutzenden verschiedenen Mustern erhältlich war und von Frauen zum Schutz ihrer Kleidung im Haushalt oder im Arbeitsleben getragen wurde.

Neben den beiden großen staatlichen Einzelhandelsorganisationen gab es Nischen wie Wochenmärkte und einige wenige Geschäfte, die noch als Familienbetriebe geführt wurden (kleine Drogerien oder Geschäfte für Fotoarbeiten etc.). Diese waren jedoch auf den Verkauf aus eigenem Anbau (Obst, Gemüse, Blumen, Eier, Wurst) bzw. auf Produkte aus handwerklicher Fertigung spezialisiert und wurden bei der Verteilung von Waren durch den staatlich gelenkten Großhandel nicht gleichberechtigt berücksichtigt.

Fisch gab es nicht in der Kaufhalle oder im Konsum, sondern in separaten Fischläden. Hier ein Fischladen in Ost-Berlin, DDR, 1974
Quelle: © Roger Melis Nachlass   
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Aus- und Weiterbildung / Karriere

Die Ausbildung zum Fachverkäufer erfolgte in Berufsschulen und in Geschäften und Warenhäusern und dauerte zwei Jahre. Verkäufer im Lebensmittelhandwerk (Bäckereien und Fleischereien) mussten ein Jahr länger die Berufsschule besuchen und durften sich dann Fachverkäufer nennen. Das erste Ausbildungsjahr bestand zu zwei Dritteln aus Unterricht in der Berufsschule und zu einem Drittel aus praktischer Lehre am Ausbildungsort. Im zweiten Lehrjahr war es dann umgekehrt. Weiterbilden konnte man sich zur Verkaufsleitung im Lebensmittelladen, in der Kaufhalle bzw. in den Abteilungen der Warenhäuser. Dann war man verantwortlich für die Bestellung der Waren und deren Verteilung, die Organisation der Bewerbung dieser Waren und für die Personalplanung. Vom Führungspersonal und Menschen in leitenden Positionen in den Vorständen der Handelsorganisationen wurde die Mitgliedschaft in der Staatspartei SED erwartet. Der Anteil von Frauen in den Führungsetagen war gering.   

Verkäuferinnen sortieren Waren im renovierten Konsum, einer Verkaufsstelle des VEB Elektronische Bauelemente in Dorfhain, Bezirk Dresden, DDR im Oktober 1986.
Quelle: © imago, Marion Gröning
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Gehalt & Bedeutung für die Volkswirtschaft

Improvisieren gehörte für die DDR-Bevölkerung zum Alltag. Denn auch wenn die Grundversorgung mit Lebensmitteln gelang und stark subventioniert wurde, waren viele Gebrauchs-, Konsum- und Luxusgüter entweder nicht zu haben oder für viele Bürger unerschwinglich teuer. Es gab lange Wartelisten für Autos oder Tiefkühltruhen. Weihnachtliche Backzutaten wie Nüsse oder Zitronat waren meist sofort ausverkauft. Aufgrund des Mangels blühte der Tauschhandel. Auf dem Schwarzmarkt ging es weniger ums Geld als darum, wer welches Produkt anzubieten hatte: Autoreifen gegen Apfelsinen, Ersatzteile für Waschmaschinen gegen Cola oder gutes Fleisch gegen Karten für die Oper. Als Verkäufer im Einzelhandel saß man da an der Quelle und konnte diesen Vorteil beim Tauschen einsetzen. Die größte Einzelhandelsorganisation der DDR war die staatliche Handelsorganisation, kurz HO. Schon 1960 gehörten allein über 35.000 Einzelgeschäfte zur HO. Sie wurde 1948 als Konkurrenz zur genossenschaftlich organisierten Konsum-Genossenschaft gegründet und führte neben Einzelhandelsgeschäften auch Hotels und Gaststätten. Ihre Warenhäuser trugen den Namen Centrum und wurden bei der Warenverteilung bevorzugt berücksichtigt. Die Konsum-Genossenschaft existierte seit Dezember 1945 sowohl in der sowjetisch besetzten Zone als auch in von den westlichen Alliierten besetzten Zonen. Die Geschäfte hießen Konsum, weshalb sich in der Alltagssprache „Ich geh mal zum Konsum“ auch in der Bundesrepublik hielt. Die Konsumgenossenschaft war auch in der DDR ein privates Unternehmen und ausschließlich im Besitz ihrer rund 4,5 Mio. Mitglieder. Die Verwaltung erfolgte bezirksweise. Das Besondere daran war, dass man zum Beitritt einmalig einen Geschäftsanteil im Wert von 50 Mark kaufte und im Gegenzug als Bonus für jeden Einkauf Rabattmarken erhielt, die man in ein Heftchen kleben musste und als Rückvergütung im Folgejahr als Bargeld ausgezahlt bekam. Das belief sich etwa auf ca. 1,5 % des getätigten Umsatzes und durchschnittlich 150 Mark.

In der Realität war kein einziges Geschäft mit dieser Auswahl an Obst und Gemüse bestückt. Für „Vorzeigemomente“ wie bei wirtschaftlichen Wettbewerben und Agrarmessen wurden die Lebensmittel so arrangiert, dass man das Gefühl bekommen konnte, es wäre ein stetiges Angebot vorhanden. Hier auf der Internationalen Gartenausstellung in Erfurt, 1978
Quelle: © Bundesstiftung Aufarbeitung / Uwe Gerig
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Transformation

Noch vor der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten am 3. Oktober 1990 trat am 1. Juli 1990 aufgrund eines Staatsvertrages eine Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der DDR und der Bundesrepublik in Kraft. Im Zuge dessen wurde auf dem Gebiet der DDR die D-Mark als offizielles Zahlungsmittel eingeführt und damit begonnen, das Wirtschaftssystem auf der Grundlage der sozialen Marktwirtschaft, wie sie in der Bundesrepublik bestand, umzubauen. Das bedeutete, dass neben der neuen Währung spätestens jetzt auch offiziell westliche Produkte in die Geschäfte der DDR gebracht wurden. Die auf dem Schwarzmarkt jahrzehntelang üblichen Tauschgeschäfte hatten keine Basis mehr, denn in den Läden gab es plötzlich alles zu kaufen. Nun war es keine Frage mehr, ob man gute Beziehungen zum Verkaufspersonal hatte, sondern schlicht, ob genug Geld auf dem Konto war. Die Konsumgenossenschaften fielen nach 1990 nicht in den Zuständigkeitsbereich der Treuhandanstalt, die dafür zuständig war, die Volkseigenen Betriebe der DDR nach den Gesetzen der sozialen Marktwirtschaft zu privatisieren. Die knapp 200 einzelnen Konsumgenossenschaften, die es gab, wurden auf regionaler Ebene zusammengelegt und bildeten 55 neue und regional tätige Konsumgenossenschaften, von denen ein paar bis heute überdauert haben und eigene Verkaufsfilialen betreiben.

Generell gab es nach der Wiedervereinigung, wie in vielen weiteren Branchen auch, Schließungen von Geschäften und damit verbundene Kündigungen für das Personal. Auch die zweijährige Verkäufer-Facharbeiterausbildung der DDR wurde nach der Wiedervereinigung nicht anerkannt.

Nach der Maueröffnung fluten Westwaren den Einzelhandel der DDR. Gleich ob Kaufhalle oder Warenhaus, die kapitalistischen Gebrauchs- und Konsumgüter sind unübersehbar im Angebot. Warenhaus Centrum am Alexanderplatz, Ost-Berlin, DDR. 21.03.1990
Quelle: © Bundesstiftung Aufarbeitung / Klaus Mehner  
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Extra 1

Zu einem weiteren wichtigen Faktor zur Umsatzsteigerung wurden die sogenannten „Intershops“, in denen man mit D-Mark begehrte Produkte, die in der DDR für den Export in westliche Länder produziert wurden und vor allem westliche Güter kaufen konnte. Hier ging es vor allem darum, die bei den DDR-Bürgern vorhandenen Devisen bzw. das Geld von Besuchern aus dem Westen für den Staat abzuschöpfen. Das Angebot variierte von Intershop zu Intershop je nach Lage. In Städten mit internationalem Publikumsverkehr wie Ost-Berlin oder Leipzig befanden sich größere Intershops mit einem teilweise sehr breiten Angebot. Es war sicher ein merkwürdiges Gefühl für einen Verkäufer, begehrte Sachen zu verkaufen, die man selbst nicht erwerben konnte, wenn man keine Westverwandtschaft hatte. Checkt unser Erklärvideo „Westverwandtschaft“.

Volle Regale mit bunten Produkten aus der Bundesrepublik Deutschland im Regal eines Intershops, fotografiert von der Staatssicherheit, o.J., DDR
Quelle: © BStU
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Extra 2

Für besonders hochpreisige Güter, auch aus dem Ausland, wurden Mitte der 1960er Jahre als Teil der HO-Kette im Bekleidungssektor die sogenannten Exquisit-Läden und im Lebens- und Genussmittelsektor die sogenannten Delikat-Läden eingerichtet. Damit sollten zum einen die Lücken im Bedarf zumindest teilweise geschlossen werden, andererseits das vorhandene Geld der Bevölkerung abgeschöpft werden. (Die Menschen in der DDR hatten teilweise erhebliche Geldbeträge gespart, da durch den beständigen Mangel an Konsumgütern das Geld nicht ausgegeben werden konnte.) Zum Ende der DDR gab es über 530 Filialen dieser beiden Handelsketten für den „gehobenen Bedarf“. Hier fand man Dosen-Ananas zum sagenhaften Preis von 18 Mark oder hochwertige Seife. Die bewusst erstklassig und oft mit Stoffen aus dem westlichen Ausland produzierten Modekollektionen des VEB Exquisit wurden von Modedesignern des Modeinstituts der DDR entworfen und auf der international beachteten Leipziger Messe vorgeführt. Es wurden jedoch nur Kleinstserien produziert und auch im Exquisit waren die sehr teuren Teile schnell ausverkauft.

Im eintönig dekorierten Schaufenster des Delikatgeschäfts spiegeln sich die Dresdner Kreuzkirche und das Rathaus, Dresden 1984, DDR
Quelle: © Bundesstiftung Aufarbeitung / Harald Hauswald  
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Noch mehr Informationen

Alle Quellen zum Beruf sowie eine ausführlichere Beschreibung findet Ihr hier in diesem PDF.
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