Zuerst einmal das Gute! In der DDR wurde gern gelesen und viel Radio gehört, 99 % aller Haushalte hatten eines. Das lag unter anderem an der geringen Auswahl der Fernsehsender. Es gab genau zwei. In manchen Regionen konnte man die beiden Fernsehsender der Bundesrepublik empfangen und vielleicht noch deren Regionalprogramme. Das hätten die Verantwortlichen in der DDR-Regierung gern unterbunden, es war ihnen jedoch nicht möglich. In der DDR herrschte zwar offiziell Pressefreiheit, was im Artikel 27 der Verfassung neben der freien öffentlichen Meinungsäußerung fest verankert war. Die Realität sah jedoch anders aus! Eine gelungene kritische Berichterstattung zu drucken oder zu senden, war eine seltene Meisterleistung für einen Journalisten, denn journalistisches Arbeiten war zahlreichen Beschränkungen unterworfen. Alle Medien in der DDR waren staatlich gelenkt. In allen Medienformaten sei es Rundfunk, Fernsehen oder im Zeitungswesen, wurde die „Lage der Nation“ geschönt. Versorgungsengpässe, Katastrophen oder wirtschaftliche Probleme wurden entweder verharmlost oder gar nicht erwähnt. Von der Staatspartei SED politisch abweichende Meinungen wurden nicht gedruckt oder gesendet und blieben für den Urheber meist auch nicht folgenlos. Alle Ergebnisse journalistischer Recherchen mussten durch staatlichen Zensurorgane abgesegnet werden und beim Schreiben waren strenge inhaltliche Vorgaben einzuhalten. Kreatives Arbeiten war somit schwer möglich.
Warum dann unbedingt Journalist? Weil es trotzdem für viele ein spannender Beruf war. Zumindest für einige ausgewählte Journalisten gab es die Möglichkeit, im Rahmen ihrer Arbeit an begehrte Orte der Welt zu fahren. Oder man hatte Zugang zum Archiv der einzigen staatlichen Nachrichtenagentur ADN (Allgemeiner Deutscher Nachrichtendienst), die dem Presseamt beim DDR-Ministerpräsidenten direkt unterstand, und konnte dort journalistische Beiträge aus dem kapitalistischen Ausland lesen. Andere Menschen, die diesen Beruf ausübten, glaubten an die Ideologie des Sozialismus und fühlten sich in ihrer Arbeit nicht beeinträchtigt oder taten zumindest so.
„Wie kann man da mal rüberkommen? Ausreiseantrag wäre, glaube ich, in unserer Familie nicht in Betracht gekommen. Aber eben mein Beruf. Das war schon einer der Gründe, warum ich Journalist geworden bin, in der Hoffnung, man könnte dann eben auch mal reisen. Es gab ja diese beiden Möglichkeiten in der DDR: Sportler oder eben als Journalist vielleicht die Dinge sich anzusehen, selber anzusehen. Und diese Sehnsucht war wirklich sehr, sehr groß.“
Knut Elstermann
Wer Journalist werden wollte, der brauchte neben dem Abitur politische Treue zum Staat. Auch musste man ein einjähriges Volontariat in einer Presse-, Radio- oder Fernsehredaktion nachweisen.
Eine Parteimitgliedschaft in der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) war nicht zwingend, jedoch von Vorteil. Konnte man diese Dinge vorweisen und wollte an der Leipziger Karl-Marx-Universität studieren, musste man ab den 1980er Jahren noch eine einwöchige Aufnahmeprüfung bestehen, die im Kurort Bad Saarow stattfand, bevor man zum Studium zugelassen wurde.
Interview mit General Teller, Vorsitzender der Gesellschaft für Sport und Technik (GST) 1975, DDR
Quelle: © Bundesstiftung Aufarbeitung / Uwe Gerig
Als Journalist arbeitete man je nach Spezialisierung in den unterschiedlichsten Redaktionen. Entweder bei einer Tageszeitung oder einem Wochenmagazin, beim Rundfunk der DDR oder bei einem der beiden Fernsehsender der Republik. Sogar beim Kino gab es Redaktionen. Innerhalb des jeweiligen Mediums spezialisierte man sich auf einen Themenschwerpunkt wie Sport, Kultur, Wirtschaft, Reise oder Innen- bzw. Außenpolitik, recherchierte und berichtete darüber.
Herausgeber der zahlreichen überregionalen und regionalen Zeitungen waren die Parteien oder die Massenorganisationen der DDR, aber auch die Kirche. Weil die SED es herausgab, nannte man beispielsweise das „Neue Deutschland“ das „Zentralorgan der SED“. Die „Junge Welt“ oder die Zeitschrift „Neues Leben“ gehörten zur Freien Deutschen Jugend (FDJ).
Diese Zeitungen und Zeitschriften hatten in der DDR jeweils Millionenauflagen, heute existieren sie mit geringer Auflage als Nischenprodukt.
Der Bildreporter und Journalist Lothar Willmann in Peenemünde, Bezirk Rostock, DDR 1980
Quelle: © ddrbildarchiv / Manfred Uhlenhut
Anders als heute war das Berufsbild des Journalisten in der DDR geschützt. Den Berufstitel durfte nur tragen, wer das Fach studiert hatte. Um von vornherein die Linientreue der Journalisten zu gewährleisten, gab es streng gehandhabte Zugangsvoraussetzungen, wie oben beschrieben. Die Ausbildung zum Rundfunk-, Fernseh- oder Pressejournalisten erfolgte ausschließlich in Leipzig, entweder für vier Jahre als Hochschulstudium an der Karl-Marx-Universität oder für drei Jahre an der Fachschule für Journalistik, die zum Verband der Journalisten der DDR gehörte. Hier war auch ein Fernstudium möglich. Die Zahl der Studierenden, die für das Fach Journalistik zugelassen wurden, war stark reglementiert und abhängig vom Bedarf der größtenteils staatlich organisierten Medienlandschaft. Den Studienabgängern war damit aber auch ein Platz in einer Redaktion sicher.
Das Journalistik-Studium setzte sich aus einem Jahr Grundstudium, zwei Jahren Fachstudium und einem Jahr Spezialstudium zusammen. Im Grundstudium standen die „sozialistische Gesellschaftstheorie“ und die Grundlagen des Journalismus im Vordergrund. Im Fachstudium erfolgte die theoretische und praktische Ausbildung, während im Spezialstudium die Spezialisierung auf ein bestimmtes Medium folgte. Den Alltag der Studenten bestimmten neben der fachlichen Ausbildung strenge ideologische Schulungen, da der Auftrag der Journalisten klar definiert war. Sie sollten dazu beitragen, den Marxismus-Leninismus in allen Teile der Bevölkerung zu verbreiten. Die Leipziger Ausbildungsstätte wurde deshalb nicht nur wegen ihrer farblichen Außenfassade als das „Rote Kloster“ bezeichnet. Ungefähr zwei Drittel aller DDR-Journalisten hatten dort studiert. Das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) kontrollierte die Studenten, die auch von Kommilitonen und Dozenten bespitzelt wurden.1984 wurden 170 Studierende zum Journalistik-Studium zugelassen, davon 41 im Fernstudium. Von 1954 bis 1990 erhielten mehr als 5000 Absolventen ihr Diplom.
Reporter zu Feierlichkeiten am 1. Mai 1964 in Leipzig, DDR
Quelle: © ddrbildarchiv / Klaus Morgenstern
Medien waren in der DDR wichtig! Einerseits, um die Ideologie des Sozialismus in der Bevölkerung stetig zu festigen, andererseits, um die Menschen in der DDR zu unterhalten.
So erschienen 1981 in der DDR 1770 verschiedene Zeitungen, Zeitschriften, Journale und Magazine in einer Gesamtauflage von rund 40 Mio. Exemplaren, davon etwa 500 Fachzeitschriften mit ungefähr 20 Mio. Exemplaren. 39 davon waren Tageszeitungen in einer Gesamtauflage von neun Mio. Zeitungen. In einem Land mit 17 Mio. Einwohnern war das damit eine der höchsten Pro-Kopf-Dichte der Welt.
Wegen des Papiermangels in der DDR und der Zuteilung von Papier an Verlage und Druckereien nach Auflage statt nach Nachfrage, blieben zahlreiche Zeitschriften trotz ihrer Beliebtheit Mangelware. So das Comic Mosaik, das Magazin, die Wochenpost, der Eulenspiegel, deren Themenschwerpunkte viel weniger politisch waren.
Trotz der gezielten Vorauswahl der Journalistik-Studierenden, der ideologischen Beeinflussung der Journalistikausbildung und der starken staatlichen Überwachung im Berufsalltag versuchten viele Journalistinnen und Journalisten einen Spielraum zwischen der staatlichen Kontrolle und dem eigenen journalistischen Anspruch zu schaffen. Einfacher war das vermutlich im Bereich des Sports und der Unterhaltung, schwieriger wurde es bei Themen der Kunst und Kultur.
Neues Deutschland, Druckvorstufe, Ost-Berlin, 1977, DDR
Quelle: © ddrbildarchiv
Die Sektion Journalistik in Leipzig wurde nach der deutschen Wiedervereinigung im Dezember 1990 aufgelöst und durch das Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft ersetzt. Zahlreiche ehemalige Studentinnen und Studenten der Leipziger Fakultät konnten ihr Studium fortsetzen und so gehören zu den auch heute noch bekannten Absolventen der Sektion Journalistik an der Universität Leipzig unter anderem die Journalistinnen und Journalisten Maybrit Illner, Knut Elstermann, Victor Grossman, die Fotojournalistin Gabriele Senft, Alexander Osang sowie der Schriftsteller Reiner Kunze.
Viele Zeitschriften haben den Sprung in die Bundesrepublik geschafft. Andere Blätter wurden eingestellt.
Zeitungskiosk in der Friedrichstraße, Ost-Berlin, 1989, DDR
Quelle: © Bundesstiftung Aufarbeitung / Harald Hauswald
Die Sibylle – Zeitschrift für Mode & Kultur war in der DDR sehr begehrt. Sie erschien über 30 Jahre lang alle zwei Monate mit einer unveränderten Auflage von 220.000 Exemplaren. Gelesen wurde sie pro Ausgabe wahrscheinlich von etwa zwei Millionen Frauen. Abonnements der Zeitschrift wurden vererbt, die Fotos vieler Mannequins ausgeschnitten und in den Büros oder Betrieben aufgehängt. Über den ostdeutschen Staat hinaus bekannt wurde die Sibylle, weil sie auf künstlerische Weise den Alltag in der DDR authentisch abbildete, indem sie zum Beispiel Fotostrecken in maroden Betrieben oder im Straßenverkehr von Ost-Berlin inszenierte. Die Mode hingegen, die die Mannequins trugen, gab es selten im Geschäft zu kaufen. Eine ähnliche, wenn auch limitierte, Freiheit genossen Redakteure künstlerischer Sendungsformate wie etwa von Musikjournalen des Jugendradiosenders DT 64.
Cover der Sibylle, November-Dezember 1978
Quelle: © Ostkreuz / Ute Mahler
#5 Marko: (N)Ostalgie