Die Krankenschwester war, wie heute auch, das Bindeglied zwischen Arzt und Patient. Verantwortungsvoll und zuverlässig pflegte sie kranke Menschen und Menschen mit körperlichen oder geistigen Beeinträchtigungen in Krankenhäusern, Pflegeheimen und in der Psychiatrie. Bei akuten und lebensbedrohlichen Zuständen musste sie sachkundig Erste Hilfe leisten. Außerdem war von ihr gefordert, hygienisch einwandfrei zu arbeiten und die Arbeits- und Brandschutzanordnungen einzuhalten.
„Kranke Menschen sind auf unsere Hilfe, Fürsorge und Pflege angewiesen, deshalb helfen wir, wo wir können.“
Schwester Edeltraut, 1990
Hilfsbereitschaft, Aufopferung und die Liebe zum Menschen lassen sich nicht erlernen. Selbstvertrauen und mentale Stärke sollte man ebenso wie Geduld und Einfühlungsvermögen – kurz gesagt Empathie – als Grundvoraussetzung mitbringen. Zusätzlich brauchte man neben dem Abschluss der 10. Klasse auch eine gute physische Konstitution, da Wirbelsäule und Muskulatur bei der Arbeit stark beansprucht wurden. Ungeeignet war man, wenn man Allergien hatte. Man sollte gute Umgangsformen und keine Scheu vor Schichtdienst haben, denn in den Krankenhäusern wurde rund um die Uhr gearbeitet. Wichtig war ebenfalls, dass man nicht allzu zimperlich war bei Gerüchen oder der Arbeit mit Fäkalien. Und man musste Blut sehen können.
Geburt eines Kindes im Kreißsaal der Medizinischen Akademie Dresden, 1969
Quelle: © IMAGO / Ulrich Hässler
Das Arbeitsfeld einer Krankenschwester unterschied sich in der DDR kaum von den heutigen Aufgaben. Die Grundkrankenpflege beinhaltete das Waschen, Anziehen und Betten, die Verpflegung der Patienten sowie Hilfe beim Aufstehen, Sitzen und Gehen. Dazu kam als zweiter Arbeitsbereich die Krankenbeobachtung. Puls, Temperatur und Befinden der Patienten wurden täglich mehrfach kontrolliert und für ärztliche Diagnosen und Visiten notiert. Das dritte Arbeitsfeld war die Ausführung ärztlicher Verordnungen. Medikamente wurden verabreicht, Spritzen oder Infusionen gegeben. Den Ärzten wurde bei Punktionen und Transfusionen geholfen, es wurden Verbände gewechselt und Fäden gezogen. Die Reinigung und das Sterilisieren der medizinischen Instrumente gehörten ebenfalls dazu.
Krankenschwesterausbildung im Bezirkskrankenhaus Karl-Marx-Stadt, 1984, DDR
Quelle: © IMAGO / Haertel Press
Krankenschwester bzw. Krankenpfleger war ein Fachschulberuf, für den man nach dem Abschluss der zehnten Klasse ein dreijähriges Direktstudium an einer der 58 medizinischen Fachschulen in der DDR absolvieren musste. Im ersten und im zweiten Studienjahr wechselten theoretische und praktische Ausbildung regelmäßig. Während die theoretischen Lehrveranstaltungen an der medizinischen Fachschule durchgeführt wurden, erfolgte die praktische Ausbildung in verschiedenen Abteilungen der Gesundheitseinrichtungen, z. B. in der Inneren Medizin, der Chirurgie, der Gynäkologie und Geburtshilfe, der Neurologie/Psychiatrie sowie in Feierabend- und Pflegeheimen. Das dritte Studienjahr wurde am künftigen Arbeitsplatz in der delegierenden Einrichtung absolviert. Für Studentinnen und Studenten, die nicht am Ausbildungsort wohnten, bestand die Möglichkeit der Unterbringung im Internat der medizinischen Fachschule. Alle Studierenden erhielten während des dreijährigen Studiums ein Stipendium.5 Das Grundstipendium betrug 200 Mark monatlich. Das steigerte sich bis auf 300 Mark im dritten Studienjahr. Ab dem zweiten Studienjahr konnten leistungsstarke Studierende zusätzlich ein Leistungsstipendium erhalten.6
Hinzu kamen Schicht-, Feiertags- und Nachtzuschläge für die Zeiten des praktischen Einsatzes. Das Fachschulstudium in der Krankenpflege beinhaltete übrigens auch das Studium der Grundlagen des Marxismus-Leninismus. Und das im selben Umfang wie in einem Hochschulstudium.
Nach einer zweijährigen Berufstätigkeit bestand die Möglichkeit, sich zur Fachkrankenschwester, zur Operationsschwester oder zur Gemeindeschwester weiterzubilden. Bei entsprechender Berufserfahrung konnte man Stationsschwester werden oder Funktionen in der Pflegeleitung eines Krankenhauses übernehmen.
Die Krankenschwester war ein traditionell vorrangig von Frauen ausgeübter Beruf, obwohl er für männliche Bewerber genauso gut geeignet war. Auszubildende wurden in allen Bezirken der DDR gesucht.
Auch Raumpflege gehört zur Krankenschwesterausbildung, Bezirkskrankenhaus Karl-Marx-Stadt, 1984, DDR
Quelle: © IMAGO / Haertel Press
In den 1980er Jahren kamen Krankenschwestern, dank Schicht- und Wochenendzulage, auf etwa 1000 Mark am Monatsende. Das entsprach dem Durchschnittseinkommen einer berufstätigen Person in der DDR zu diesem Zeitpunkt. In der DDR waren die Einkommen von Krankenschwestern bzw. -pflegern den Ingenieursgehältern angeglichen.
Das Gesundheitswesen der DDR beruhte auf mehreren Säulen, die – mit wenigen, zumeist kirchlichen Ausnahmen – alle der staatlichen Leitung, Lenkung und Planung unterworfen waren.
Privat wirtschaftende Ärzte in eigener Praxis waren selten. Diese Form der ambulanten medizinischen Versorgung wurde seitens des Staates nicht gefördert.“7
Die kostenlose medizinische Behandlung durch Ärzte und Therapeuten, niedrige und stabile Krankenversicherungsbeiträge sowie Medikamente zum Nulltarif – sofern vom Arzt verschrieben – waren ein wichtiger Baustein im Sozialsystem der DDR und wurden von der SED-Regierung u.a. auch immer wieder als Beweis für die Überlegenheit der sozialistischen Planwirtschaft gegenüber dem kapitalistischen Wirtschaftssystem angeführt. Tatsächlich musste das Kranken- und Sozialversicherungssystem aber aus dem Staatshaushalt stark bezuschusst werden. Durch steigende Ausgaben von beispielsweise 16.220 Millionen DDR-Mark 1971 auf 36.275 Millionen DDR-Mark im Jahr 1988 (entspricht einer Steigerung von 124 Prozent) mussten die notwendigen Zuschüsse aus der Staatskasse im gleichen Zeitraum von 38,2 auf 48,1 Prozent angehoben werden. Allein die Ausgaben für die kostenlose medizinische Betreuung, Krankengeld, Arzneimittel und Heil- und Hilfsmittel stiegen von 1980 bis 1988 von 11.513,4 Millionen DDR-Mark auf 15.828,8 Millionen DDR-Mark, eine Steigerung um 37 Prozent. Das brachte den Staat an den Rand seiner finanziellen Möglichkeiten. Zur Aufrechterhaltung des Gesundheitssystem der DDR leistete schließlich die Bundesrepublik finanzielle und direkte medizinische Hilfen.
Rettungswagen mit Sanitätern und Krankenschwester
Quelle: © Bundesstiftung Aufarbeitung / Uwe Gerig
Nach der Wiedervereinigung beider deutscher Staaten konnten die Krankenschwestern im Allgemeinen ohne nennenswerte Probleme weiterarbeiten. Die Höhe der Gehälter richtete sich nun jedoch nach den Tarifen im öffentlichen Dienst der jeweiligen Bundesländer bzw. nach Haustarifen. Die Ausbildung wurde dezentralisiert und ihre Qualität bemaß sich jetzt am Niveau der jeweiligen Einrichtung, an welcher der Beruf erlernt wurde.
Die Struktur der Trägerschaft von Krankenhäusern änderte sich ebenfalls.
Während zu DDR-Zeiten ca. 84 % aller Krankenhäuser staatlich betrieben wurden, privatisierte man die medizinischen Betriebe recht bald. Viele Einrichtungen wurden an etablierte Klinikkonzerne aus der Bundesrepublik verkauft, so z.B. das Klinikum Berlin-Buch an die Helios-Kliniken. Die Krankenschwestern, die vormals in den staatlichen Polikliniken gearbeitet hatten, wurden nun vielfach Arzthelferinnen von sich selbstständig niederlassenden Ärzt:innen.
Nach etwa 20 Jahren hatten sich die Niveaus der Krankhäuser in den alten und neuen Bundesländern angeglichen.
6-Personen-Zimmer im Krankenhaus Prenzlauer Berg in Ost-Berlin , 1990
Quelle: © IMAGO / Sven Simon
Gemeindeschwester war ein Beruf, der in der DDR weit verbreitet war und den Frauen, die ihn aus- übten, viel abverlangte. Als ausgebildete Krankenschwestern sorgten sie zumeist auf dem Land für die Aufrechterhaltung der medizinischen Versorgung. Sie wurden nicht nur zu Unfällen gerufen und kümmerten sich um chronisch Kranke, sondern waren häufig auch Ansprechpartnerinnen für die Alltagssorgen der Menschen.10 Die Gemeindeschwestern kannten jede Familie in ihrer Umgebung. Sie waren die gute Seele der Gemeinde, oft auch mit einer helfenden Funktion im Haushalt älterer Menschen. Geschaffen wurden sie als Antwort auf den Ärztemangel in der DDR. Bis zum Mauerbau im Jahre 1961 waren ca. 4.000 Ärztinnen und Ärzte in die Bundesrepublik geflohen.11 Im Jahr 1989 gab es insgesamt 5.500 Gemeindeschwestern auf dem Gebiet der DDR. Der Beruf der Gemeindeschwester wurde mit der Wiedervereinigung abgeschafft. Heute gibt es jedoch gelegentlich Bemühungen, wieder etwas Vergleichbares zu schaffen.
Gemeindeschwester in Uniform mit einem Fahrrad in Naumburg, 1957
Quelle: © IMAGO / Kai Bienert
#2 Katharina: Mode und Mangel