Ein PC in einem Privathaushalt war Mitte der 1980er Jahre absoluter Luxus und kam selten vor. Ein Bürorechner (A5120) kostete zwischen 27.000 und 40.000 Mark und war nicht für private Zwecke, sondern nur für Betriebe und die Optimierung der Produktion verfügbar. Die DDR investierte viel Aufwand und Geld in die Ausbildung der zukünftigen Informatiker ihres Landes. Ging doch die Entwicklung der elektronischen Datenverarbeitung (EDV) rasend schnell voran und die EDV hielt Einzug in fast jeden Wirtschaftszweig. Als Informatiker war man deshalb permanent in der Weiterbildung. Dutzende Betriebssysteme wurden entwickelt, Software für die vielen verschiedenen technologischen Prozesse geschrieben und die Hardware permanent verbessert.
Ausgesuchte Ausbilder an den Berufsschulen und Professoren für Informatik an den Universitäten waren demzufolge oft sogenannte Reisekader, die sich im nichtsozialistischen Ausland auf Kongressen etc. weiterbilden durften und mussten, damit die DDR den Anschluss an die internationale Computerentwicklung bekam.
„Es ging immer darum, die riesigen Papier-Karteien, die die Stasi damals schon hatte von Belasteten, von Personen, die im Ausland waren, ausreisen wollten, da schneller Zugriff darauf zu haben, um die Kontrollstärke steigern zu können. Und da hat man bereits begonnen mit diesen Lochkarten-Maschinen, mit diesen frühen EDV-Maschinen und gesagt: Das ist der Weg. Und damit man da weitergehen kann, setzen wir jetzt voll auf diese Technik und dafür brauchen wir westliche Großrechner.“
Rüdiger Bergien, Zentrum für zeithistorische Forschung Potsdam
Um Techniker für Informatik zu werden, brauchte man gutes Seh- und Hörvermögen, eine extrem hohe Aufmerksamkeitsfähigkeit und natürlich Geduld. Außerdem sollte man auf jeden Fall Mathematik und Physik mögen, denn diese beiden Fächer waren die Grundlage für die Ausbildung. Und eine gute Voraussetzung, einen Ausbildungsplatz zu bekommen, waren bereits in der Schulzeit besuchte Arbeitsgemeinschaften, in denen der Umgang mit Computern vermittelt wurde. In vielen Schulen wurde ab Mitte der 1980er Jahre damit begonnen, für die neunten und zehnten Klassen Computerkabinette einzurichten. Die Jugendlichen sollten schnell mit der Materie vertraut gemacht werden, um die Computer später in der Ausbildung, zu welchem Beruf auch immer, bedienen zu können.
„Nachwuchs-Informatiker“ am Robotron Klein-Computer KC 85/1. Zur Frühjahrsmesse 1986 in Leipzig vermittelte der Arbeiter- und Bauernstaat den Eindruck, Anschluss an die Standards des Westens in der Mikroelektronik- und Roboterindustrie gefunden zu haben. Leipzig, DDR.
Quelle: © Bundesstiftung Aufarbeitung / Klaus Mehner
Die Ausbildung war ausgerichtet auf den Einsatz als Programmierer, Technologe und Arbeitsvorbereiter in Rechenzentren sowie als Bediener und Schichtleiter im operativen Rechenbetrieb. Der Techniker für Informatik arbeitete als Betreuer von rechnergestützten Arbeitsplätzen im Rahmen der Büroautomatisierung und der rechnerunterstützten Fertigung in Betrieben (CAD/CAM). Durch seine Mitarbeit wurde die Industrieautomatisierung, die Systemplanung sowie die Programmierung und Bedienung von Rechnern zur Prozessüberwachung und Prozessführung gewährleistet. Die Anwendung von Dienstprogrammen und Entwicklung von Prozeduren für die Arbeit mit dem Betriebssystem gehörte ebenfalls zur Arbeit eines Technikers für Informatik.
Der Robotron A 5120 war ein Bürocomputer zur Text- und Datenverarbeitung. Das Gerät wurde ab dem Jahre 1982 im VEB Buchungsmaschinenwerk Karl-Marx-Stadt hergestellt. Der Preis für diesen Computer lag – abhängig von der Ausstattung – zwischen rund 27.000 und 40.000 Mark der DDR. Er wurde in der DDR nur an Betriebe und wissenschaftliche Institutionen ausgeliefert.
Quelle: © DDR Museum
Techniker für Informatik mussten in der DDR ein Fachschulstudium absolvieren. Dazu war ein guter Abschluss der zehnten Klasse Voraussetzung. Hatte man den, gab es zwei Möglichkeiten, den angestrebten Beruf zu erlernen. Man bewarb sich für die Ausbildung bei einem Betrieb und der entschied dann auf der Grundlage der eingereichten Unterlagen, ob er den Bewerber einstellt und zum Fachschulstudium delegiert. Dieser musste sich verpflichten, zu Beginn des letzten Studienjahres mit dem delegierenden Betrieb einen Arbeitsvertrag abzuschließen. Das Fachschulstudium dauerte drei Jahre. Eine zweite Option war, das Studium nach einer abgeschlossenen Facharbeiterausbildung und entsprechender Berufserfahrung zu beginnen. Das war dann im Direktstudium mit einer Ausbildungsdauer von 1,5 bis 2 Jahren oder auch berufsbegleitend in einem Fern- oder Abendstudium möglich, was 2,5 bis 3 Jahre in Anspruch nahm. Die Ausbildung war sehr praxisorientiert.
Eine entscheidende Rolle bei der Computerausbildung in der DDR spielten die Hochschulen und Universitäten. Jährlich schlossen etwa 500 Absolventen dort ein Hochschulstudium der Informatik ab. Die meisten studierten an der TU Dresden, die über ein spezielles Informatikzentrum verfügte, das in der Entwicklung der Informationsverarbeitung und von Betriebssystemen eine Spitzenstellung einnahm.
Informatik-Studien wurden ferner an den Technischen Universitäten Karl-Marx-Stadt (heute Chemnitz) und Magdeburg sowie in Rostock, Leipzig, Berlin und Halle angeboten. Das Studium war in folgenden Fachbereichen möglich: theoretische Informatik (vier bis fünf Jahre), Systemsoftware (vier Jahre), angewandte Informatik – Entwicklung von Applikationssoftware und Betriebssystemen (vier Jahre) und Rechnersystemgestaltung und Betrieb – Entwicklung und Einführung von Informationssystemen im Betrieb (vier Jahre). Im siebten Semester absolvierten die Studierenden ein fünfmonatiges Betriebspraktikum, und zwar in der Regel in dem Betrieb, in dem sie künftig arbeiten würden. Die so ausgebildeten Diplom-Ingenieur-Informatiker starteten auf diese Weise schon mit einer gewissen Praxiserfahrung in den Beruf.
Weiterbilden konnte man sich für Basisrechnersysteme und die technologische Prozessorganisation für den Betrieb von Rechnern, Mehrrechner-Systemen und Rechnernetzen. Dazu gehörte auch das Erstellen von Datenbankanwendungen und Systemen der verteilten Informationsverarbeitung im Bereich der elektronischen Datenverarbeitung. Oder man entschied sich für die Entwicklung von Programm-Modulen und von Programmsystemen für Computer. Mittels problemorientierter Assemblersprache (eine Variante einer Programmiersprache) wurde der Aufbau und die Echtzeitverarbeitung von Dateien möglich gemacht.
Die Literatur für die sich weltweit entwickelnden Betriebssysteme besorgte sich die DDR aus der Bundesrepublik und wandelte diese für die in der DDR üblichen Betriebssysteme ab. Die Studienpläne für Informatik wurden von einer Expertengruppe entwickelt, die sich an den Studienplänen der BRD orientierte.
Auch dafür mussten Programme geschrieben werden: DDR-eigene Steuer- und Regeltechnik von Robotron in Kombination mit einer englischen Flachglas-Float-Anlage, deren Schneidanlage aus der Bundesrepublik stammte. Hier wurden die Abläufe von Steuerwarten aus dem Kombinat Robotron überwacht, die diese Programme beherrschten.
Quelle: © Bundesstiftung Aufarbeitung / Klaus Mehner
Der Beruf des Informatikers hatte eine große Bedeutung für die Technisierung und Modernisierung der Industrie in der DDR. Um im weltweiten Wettbewerb mithalten zu können, investierte die Regierung viel Geld, vor allem Devisen in das Material für den Bau von Computerteilen. Anders als heute, wo die unterschiedlichen Bauteile aus aller Welt importiert werden, versuchte die DDR, unabhängig von Zulieferern zu werden und in den Bereichen Kleinrechner (Personalcomputer/PC und Bürocomputer) und Großrechner (bspw. Rechenmaschinen für Textiltechnik, für Optik und Papierherstellung u.v.m.) das Entwicklungsniveau der westlichen Welt zu erreichen. Das gelang der DDR Ende der 1980er Jahre, weil sie neben den finanziellen Investitionen auch die Anzahl der Mitarbeiter in den Forschungsbereichen kontinuierlich erhöhte. Das 1972 gegründete Zentrum für Rechentechnik (ZfR) in Berlin -Adlershof startete beispielsweise mit 151 Beschäftigten, darunter 27 Forscher, 7 davon mit Doktortitel. Die Mitarbeiterzahl stieg bis Juni 1990 auf 355, darunter 179 Forscher und unter diesen 65 Mitarbeiter mit Doktortitel und 12 mit einer Habilitation. Das durchschnittliche Monatsgehalt der Beschäftigten betrug 1984 1154 Mark und 1989 1381 Mark.
IT-Zeitalter im Realsozialismus, Schalterterminals im Postamt 2 in Berlin. Im Arbeiter- und Bauernstaat DDR war der Computer in allen wirtschaftlichen Bereichen auf dem Vormarsch. Zum XI. Parteitag der Einheitspartei SED 1986 wurden die letzten Postämter mit PCs aus dem VEB Kombinat Robotron bestückt. Der Typ K-6501 sollte die Geldgeschäfte der Postbank beschleunigen. Berlin, Bezirk Berlin, DDR, 1986.
Quelle: © Bundesstiftung Aufarbeitung / Klaus Mehner
Der Techniker für Informatik wurde in allen Bereichen der DDR-Wirtschaft dringend gebraucht und eingesetzt. Die Besetzung der Arbeitsstellen lief bis zum Jahresanfang 1990 komplikationslos. Mit den danach einsetzenden Existenzschwierigkeiten einiger Betriebe und Kombinate im Zuge der Wiedervereinigung war das Interesse an künftigen Absolventen allerdings eingeschränkter, auch weil ein großes Maß an Fortbildung notwendig war, um die frischen Studienabgänger auf das Niveau der bundesdeutschen Ausbildung zu bringen. Generell kann man jedoch sagen, dass es in diesem Berufszweig aufgrund der gesamtwirtschaftlichen Bedeutung der Computerentwicklung die wenigsten Arbeitslosen und weitreichende Beschäftigungsmöglichkeiten gab.
Die DDR im Computerrausch. Beworbener 32-Bit-Rechner. Stolz präsentierte das Kombinat Robotron die hauseigene Mikroelektronik auf der Frühjahrsmesse in Leipzig 1989. Nach eigenen Angaben hatte der volkseigene Computerhersteller den Anschluss an westliche Hersteller und Standards gefunden. Die ausgestellten Rechner sollten IBM-PC/XT-kompatibel sein. Leipzig, DDR, 1989.
Quelle: © Bundesstiftung Aufarbeitung / Klaus Mehner
OPREMA
Bereits 1954/55 entwickelten Mitarbeiter des VEB Carl Zeiss Jena den ersten programmierbaren Rechenautomaten der DDR: die OPREMA.
Ihr Name leitete sich von ihrer Bezeichnung Optische Rechen-Maschine ab, ein Verweis auf ihren Einsatzzweck: Mit ihr wurden komplizierte Berechnungen für Linsensysteme vorgenommen. Siebeneinhalb Monate dauerte der Bau, der am 30. Dezember 1954 vollendet wurde. Mehrere Monate lang wurde die Anlage Stück für Stück aufgebaut, überprüft und in Betrieb genommen.
Das Ungetüm nahm eine Fläche von 55 Quadratmetern ein. Eine Million Lötstellen, 90.000 Selen-Gleichrichter und 500 Kilometer Kabel wurden verarbeitet. Statt mit Transistoren rechnete die OPREMA mit 16.626 Relais. Für die Addition zweier achtstelliger Zahlen benötigte sie 30 Millisekunden – damals eine Sensation. Die OPREMA erledigte die Arbeit von 120 Menschen und führte deshalb zu einer deutlich höheren Produktionsausbeute in der Herstellung von Linsensystemen.
Programmiert wurde mit Hilfe von Stecktafeln: Mit sechs Tafeln zu je 50 Befehlen waren 300 Befehle möglich. Die gesamte Speicherkapazität der OPREMA betrug rund 3 Kilobyte. Das ist etwas mehr als eine A4-Seite Text. Die Ausgabe der Rechenergebnisse erfolgte über eine elektrische Schreibmaschine. Die Anlage war bis Herbst 1963 in Betrieb und wurde dann verschrottet, obwohl sie zweifellos eine bedeutende Schöpfung ihrer Zeit war.
Das Wunderwerk der 1950er Jahre vom VEB Carl Zeiss Jena. Der erste Computer – so groß, dass mehrere Menschen darin stehen konnten. Der Großrechner OPREMA.
Quelle: © Zeiss Archiv
KC87
Der KC87 war ein von der Firma Robotron gebauter Computer, der sowohl als Heimcomputer als auch in der Ausbildung von Schülern und Studenten genutzt wurde. In der Industrie wurde er für die Erfassung, Anzeige und Verarbeitung von Messwerten sowie die Simulation und Funktionsprüfung von elektronischen Baugruppen eingesetzt. Er war mit einem Z80-kompatiblen 8-Bit-Prozessor ausgestattet.
Über eine Reihe von Schnittstellen konnte zusätzliche Hardware an den KC87 angeschlossen werden, so u.a. auch ein oder zwei Joysticks. Dazu konnte man einen von der Firma Robotron hergestellten Joystick erwerben. Gleichzeitig existierten aber auch Bastelanleitungen zum Selbstbau. Ein weiterhin eingebauter Modulschacht enthielt Steckplätze für bis zu vier Erweiterungsmodule für zusätzliche Hardware. Zur Bildausgabe wurde ein Fernsehgerät angeschlossen. Die zwei Varianten KC 87.20 und KC 87.21 verfügten über eine Konfigurationsmöglichkeit im eingebauten BASIC separat erhältliche Vollgrafikbaugruppe anzusteuern.
Der Preis für die Schwarz-Weiß-Version belief sich zu Anfang auf 3005 Mark, die Farbversion kostete 3390 Mark. Die Programmierung erfolgte über die Programmiersprachen BASIC und Assembler. Diese mussten von Kassette oder von einem Steckmodul geladen werden. Robotron bot vor allem einfache Spiele sowie Programme für den Bildungsbereich an. Durch Hobby-Programmierer entstand eine Vielzahl neuer Spiele.
#3 Stefan: Das halbe Dorf mit Stasi voll