Pfarrer

Beschäftigte (M/W)

Männlich & Weiblich

Ausbildungsdauer (Monate)

60

Schulabschluss (Klassen)

12

Der evangelische Pfarrer Oskar Brüsewitz, 1975 in Rippicha, DDR Quelle: © Karl Adolf Zech

Eigenschaften des Berufes

Kreativität

Kommunikation

Bewegung

Soziales

Gehalt

Politik

Der schmale Grat zwischen Opposition und Opportunismus, zwischen Aufbegehren und Anpassung

Gottes Weg führte in der DDR nicht nur in die Kirchen, sondern auch in viele Familien. Wenn Menschen seelische Hilfe brauchten, waren Pfarrer schnell zur Stelle. Diese Hilfsbereitschaft brachte in diesem Beruf nicht nur viele soziale Kontakte, sondern auch einen tiefen Einblick in die Gesellschaft des sozialistischen Staates, dessen Staatspartei die Kirche eigentlich am liebsten verboten hätte. Da die christliche Religion deutlich älter als der Sozialismus war und nach dem Krieg 1946 noch mehr als 90% der Bevölkerung in der sowjetischen Besatzungszone (SBZ) Christen waren (1989 waren es nur noch 25%), blieben die Kirchen in der DDR offen. Die Mehrheit der Christen in der DDR gehörte den großen evangelischen Landeskirchen und etwa eine Million der römisch-katholischen Kirche an. Andere christliche Konfessionen, Freikirchen und Religionsgemeinschaften zählten vergleichsweise wenige Mitglieder. Die Arbeit mit den Menschen hatte für einen Pfarrer oberste Priorität und Eigennutz oder eine egoistische Lebenshaltung waren bei dieser Berufung absolut fehl am Platz.


„Man hatte mir in der Oberschule ein Direktstudium für Medizin angeboten, nur damit ich nicht Theologie studiere.“


Eva Wunderlich, Pastorin

Beisetzung des DDR-Regimekritikers Prof. Robert Havemann in Grünheide. Am Grab: Der Pfarrer der Berliner Erlöserkirche Rainer Eppelmann, 1982, Quelle: © Bundesstiftung Aufarbeitung / Harald Schmitt

Kriterien des Berufs

Einstellungsvoraussetzungen

Um das Studium der evangelischen Theologie an einer der drei vom Staat unabhängigen kirchlichen Hochschulen zu beginnen, brauchte man das Abitur und auch einen langen Atem und wirkliches Interesse, denn das abgeschlossene Theologiestudium dauerte fünf Jahre plus Praxiszeit. Außerdem waren die Hingabe zum Menschen, unabdingbare Hilfsbereitschaft und natürlich der Glaube wichtige Voraussetzungen. Ein Drittel der Studierenden Mitte der 1980er Jahre waren Frauen, während in den 1960er Jahren unter 100 Studierenden durchschnittlich nur eine Frau dabei war.

Pfarrer predigt in der fast leeren Marienkirche in Stralsund, Juni 1980
Quelle: © Bundesstiftung Aufarbeitung / Harald Schmitt
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Arbeitsfelder

In der DDR hatten Pfarrer in der Regel mehr Beerdigungen als Taufen oder kirchliche Trauungen abzuhalten. Viele Menschen ließen sich noch kirchlich beerdigen. Durch die sozialistisch orientierte Erziehung in den Schulen und die ideologische Beeinflussung bis tief in das Alltagsleben der Menschen hinein, nahm die Anzahl der Taufen und kirchlichen Trauungen im Laufe der DDR-Geschichte insgesamt deutlich ab. Trotzdem oder gerade deshalb bemühten sich die Kirchen und Religionsgemeinschaften, Jugendlichen Möglichkeiten zur Auseinandersetzung mit dem christlichen Glauben und mit ihrer Stellung in der Gesellschaft zu bieten. Ein wichtiges Aufgabengebiet vor allem jüngerer evangelischer Pfarrer war demzufolge der Konfirmandenunterricht und die Arbeit in kirchlichen Jugendgruppen, den sogenannten „Jungen Gemeinden“ oder den „Evangelischen Studentengemeinden“. Jüngere Schulkinder erhielten von der ersten Klasse an Religionsunterricht, der sich in der DDR Christenlehre nannte, nicht in der Schule, sondern in kirchlichen Räumen stattfand, freiwillig war und in der Regel von extra dafür ausgebildeten Katecheten und Katechetinnen – meist waren es Frauen – angeboten wurde.

Ein Pfarrer in einer Dorf- oder Stadtgemeinde bot außerdem Menschen in seelischen Nöten Hilfe an (Seelsorge) und machte Kranken- und Sterbebesuche. Und natürlich hielten Pfarrer Gottesdienste an Sonn- und Feiertagen. Dafür mussten Predigten geschrieben werden, was ebenfalls viel Zeit in Anspruch nahm.

Des Weiteren gehörte zum Arbeitsalltag auch, die Kirchenbücher zu führen und andere Verwaltungsaufgaben zu erledigen. Zur Leitung der Kirchengemeinde arbeitete der evangelische Pfarrer mit dem Gemeindekirchenrat zusammen, ein durch Wahlen bestimmtes Gremium freiwilliger Gemeindemitglieder, das über Baumaßnahmen und Belange des Gemeindelebens entschied. Oftmals musste ein Pfarrer auch die Renovierung der Kirchenräume organisieren oder – wenn die notwendigen Handwerker fehlten und er handwerklich geschickt war – sogar selbst durchführen.

Pfarrer hatten keine festen Arbeitszeiten und so gut wie keine freien Wochenenden. Durchschnittlich 50 Stunden pro Woche arbeitete man, die meiste Zeit mit anderen Menschen.

Nach einem Gottesdienst im Französischen Dom in Berlin, Mitte der 1980er Jahre, DDR
Quelle: © Bundesstiftung Aufarbeitung / Harald Hauswald  
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Aus- und Weiterbildung / Karriere

Um Pfarrer werden zu können, konnte man in der DDR sowohl an staatlichen als auch an kirchlichen Hochschulen studieren. Die evangelische Kirche bot ein Theologiestudium am Theologischen Seminar in Leipzig, am Katechetischen Oberseminar in Naumburg oder am Sprachenkonvikt in Berlin an. Das waren die Orte geistiger Freiheit, die viele Pfarrer, welche später die Oppositionsarbeit unterstützten, prägten. An den staatlichen Universitäten gab es theologische Fakultäten an der Humboldt-Universität in Berlin, in Greifswald, Halle, Jena, Leipzig und Rostock, die sich – wie andere Studienfächer auch – den starken politisch-ideologischen Vorgaben des Staates unterordnen mussten. Im Studium lernte man in den ersten vier Semestern die Sprachen Hebräisch, Latein und Altgriechisch. Dazu kamen dann Kirchengeschichte, Neues und Altes Testament, Philosophie, systematische Theologie / Ethik, praktische Theologie, Seelsorge und Katechetik, Predigtlehre und Liturgie. An den kirchlichen Hochschulen war das Studium praktischer auf die Gemeindearbeit ausgerichtet als an den staatlichen Universitäten. Das fünfjährige Studium beendeten die Studierenden mit einer Diplomarbeit (umfangreiche schriftliche Arbeit und mündliche Prüfung), Klausuren und mündlichen Prüfungen in den wichtigen Fächern und konnten sich dann Diplomtheologen nennen. Dieses erste Examen wurde an den kirchlichen Hochschulen unter ähnlichen Bedingungen abgelegt. Es folgte das sogenannte Vikariat (praktische Pfarrerausbildung), welches – je nach Landeskirche – etwa zwei Jahre dauerte und aus einer praktischen Ausbildung in einer Kirchengemeinde sowie einer Zeit in einem Predigerseminar, wo die praktische Arbeit reflektiert wurde, bestand. Danach musste ein zweites Examen bei der Landeskirche abgelegt werden, zu der das Predigerseminar gehörte. Hatte man das bestanden, erhielt man die Zulassung zur Ordination, der feierlichen Einsegnung zum Pfarrer und wurde von der Leitung der Landeskirche in ein Pfarramt geschickt.

Karriere konnte man in verschiedenen leitenden Funktionen als Superintendent oder Probst bis zum höchsten Amt als Bischof machen. Die Begriffe Superintendent und Probst bezeichneten je nach Landeskirche andere Zuständigkeiten. In allen Fällen waren diese Theologen aber für die Pfarrer einer bestimmten Region verantwortlich. Der Bischof war verantwortlich für die Leitung einer ganzen Landeskirche.

Diplom der theologischen Fakultät der Humboldt-Universität Berlin, 1970
Quelle: © privat  
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Gehalt & Bedeutung für die Volkswirtschaft

Die Pfarrer wurden von der Kirche bezahlt und erhielten ca. 400–600 Mark pro Monat. Dazu kamen diverse Sachspenden von Kirchen aus der Bundesrepublik Deutschland (die sogenannte Bruderhilfe), manchmal in Westmark oder als Genex-Geschenksendungen (checkt dazu unser Video „Westverwandtschaft“). Als Pfarrer in höherer Position verdiente man ca. 800 Mark. Das Durchschnittseinkommen in der DDR lag Mitte der 1980er Jahre bei 800 – 1000 Mark. Pfarrer in der DDR waren häufig mit zahlreichen Schikanen und Einschränkungen durch die Regierung konfrontiert. Zum Beispiel mussten Pfarrerskinder und Christen, wenn sie sich offen zu ihrem Glauben bekannten und die Allgemeingültigkeit der marxistischen Ideologie in Frage stellten, damit rechnen, nicht zum Abitur oder Studium zugelassen zu werden. Trotzdem war die Kirche in der DDR recht beliebt. In ländlichen Gegenden war sie eine Alternative zu fehlenden Jugendklubs. Die Kirche bot Schutzraum für politisch Andersdenkende, Umweltschützer und für die Friedensbewegung. Sie organisierte kulturelle Aktionen wie Bluesmessen oder unterstützte die Subkultur der DDR, indem sie ihre Räume für Punkkonzerte bereitstellte.

Die Staatspartei SED hat die Kirche ganz strikt ausgegrenzt. Mitarbeitenden im Staats- und Parteiapparat und im Ministerium für Staatssicherheit (MfS) wurde das Bekenntnis zum christlichen Glauben sowie der Besuch von Kirchen untersagt. Das MfS unterwanderte jahrzehntelang erfolgreich die Kirche mit Spitzeln. Es setzte dafür auch Jugendliche als sogenannte Inoffizielle Mitarbeiter ein, die Informationen über oppositionelle Menschen und deren Aktivitäten an das MfS weitergaben.

Die Punkband Happy Straps spielt auf einem Konzert in einer Ost-Berliner Kirche, 1985
Quelle: © Robert-Havemann-Gesellschaft / Nikolaus Becker
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Transformation

Mit der Gründung der DDR etablierte die Staatspartei SED ihre kommunistisch-atheistische Weltanschauung. Vor allem Jugendliche sollten durch die 1955 eingeführte atheistische Jugendweihe als Ersatz für die Konfirmation Distanz zur Kirche bekommen. So gerieten die Kirchen, allen voran die großen evangelischen Landeskirchen, zunehmend unter Druck, ihre verfassungsrechtlich garantierte Autonomie und ihre tatsächlichen Handlungsmöglichkeiten gegenüber einem Staat auszuloten, der mit dem Ziel des „Aufbaus des Sozialismus“ in den 1950er Jahren gegenüber den Kirchen immer radikaler auftrat und dabei weder vor Unterwanderung mit geheimpolizeilichen Mitteln noch vor direkter Konfrontation und Einschüchterung zurückschreckte. Für die sich in den 1980er Jahren formierende unabhängige Friedensbewegung wurde der kirchliche Raum zunehmend, wenn auch längst nicht überall, zum Schutzraum für Diskussionen, Gebete und Aktionen, die sich Fragen des Friedens, der Menschenrechte und des Umweltschutzes widmeten. Dieser neue Fokus christlichen Engagements ging nicht nur mit einer verstärkten Zusammenarbeit christlicher Gemeinden untereinander, sondern auch mit konfessionslosen Mitbürgern einher. Die Kirche bot damit auch vielen oppositionellen Gruppen Zuflucht und wurde so 1989 quasi zum Katalysator der Friedlichen Revolution.

Nach der Wiedervereinigung wurden die Kirchen auffällig leerer. Sie wurden als Schutzraum für verfolgte Gruppen nicht mehr gebraucht. Jetzt traten andere Aufgaben wieder mehr in den Vordergrund. Die Seelsorge wurde während der Umbruchszeit besonders wichtig, denn die neue Lebenssituation überforderte viele Menschen in den ostdeutschen Bundesländern. Plötzlich kamen nicht mehr die „Aufmüpfigen“ in die Kirche, sondern andere – auch Leute aus der Partei, denen der Boden unter den Füßen weggezogen wurde.

Nach der Wiedervereinigung beider deutscher Staaten wurden die evangelischen Kirchen auf dem Gebiet der einstigen DDR, die sich 1969 aus dem gesamtdeutschen Kirchenbund „Evangelische Kirche in Deutschland“ (EKD) gelöst und einen eigenen Kirchenbund (Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR) gegründet hatten, wieder in die EKD aufgenommen. Damit erfolgte auch die Einbindung in das Staatskirchensystem der Bundesrepublik. Die Kirche erfuhr so eine deutliche gesellschaftliche Aufwertung. Viele Christen aus der DDR sahen jedoch die große Nähe zwischen Staat und Kirche auch kritisch.

Schutzraum Kirche vor 1990: Till Böttcher, Mitglied der Umweltbibliothek druckt illegal Flugblätter, Zionskirche, Ost-Berlin 1988
Quelle: © Bundesstiftung Aufarbeitung / Harald Hauswald
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Extra 1

Die wohl traurigste Geschichte zur Kirche in der DDR ist die Selbstverbrennung des Pfarrers Brüsewitz. Am 18. August 1976 zündete sich der evangelische Pfarrer Oskar Brüsewitz vor der Michaeliskirche in Zeitz an. Mit einem Transparent hatte er zuvor gegen die Bildungs- und Kirchenpolitik der SED protestiert. Vier Tage später verstarb er an seinen schweren Verletzungen. Etwa 400 Menschen kamen am 26. August 1976 zur Beerdigung, darunter ca. 70 Pfarrer im Talar. Sein unkonventionelles Verhalten und seine Kompromisslosigkeit brachten ihn ins Visier des MfS. Der Freitod von Oskar Brüsewitz fand mediale Beachtung in beiden Teilen Deutschlands. Das „Neue Deutschland“ (das Zentralorgan der SED) dichtete dem Pfarrer eine psychische Krankheit an. Darauf beschwerten sich Leser lautstark, denn in der Bevölkerung war Oskar Brüsewitz ein beliebter Mensch gewesen. Die Kirche reagierte mit einer Gegendarstellung. Seine Selbstverbrennung steht für den schweren Kampf, den viele Pfarrer mit dem Staat auszufechten hatten.

„Die Selbstverbrennung des Pfarrers Brüsewitz“, Öl/Lwd., 120 x 100 cm, 1976/2016
Quelle: © Brüsewitz-Zentrum / Matthias Koeppel  
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Extra 2

Ein wichtiger Wegbereiter der friedlichen Revolution war der Berliner Pfarrer Rainer Eppelmann. Seine Bluesmessen führten Anfang der 1980er Jahre bis zu 7.000 Menschen auf abgegrenztes Kirchenterrain – unter weitestmöglicher Auslegung dessen, was ein Gottesdienst sei. Im Schutzraum der evangelischen Kirche veröffentlichten Friedens- und Umweltgruppen ihre Publikationen. Sie versahen sie mit dem Vermerk „Nur für den innerkirchlichen Dienstgebrauch“. Damit konnten sie sich eines Paragrafen der staatlichen „Anordnung über das Genehmigungsverfahren“ von 1959 bedienen, der es erlaubte, innerkirchliche Publikationen und Informationsschriften ohne staatliche Genehmigungen erscheinen zu lassen. Damit erhofften sie sich einen gewissen Schutz wenigstens für den Druck. Verteilt wurden ihre Schriften auch außerhalb der Kirche. Die evangelischen Kirchen boten Bühnen für verbotene Musiker und schafften experimentelle Freiräume für junge, kritische Menschen, wie z. B. die Junge Gemeinde in Jena oder die „Kirche von Unten“ in Berlin. Vergeblich versuchte die Stasi, solches Engagement zu verhindern.

DDR- Friedensbewegung in der DDR: Ostermesse in der Erlöserkirche in Ost-Berlin mit Pastor Rainer Eppelmann, o.J.
Quelle: © Bundesstiftung Aufarbeitung / Harald Schmitt
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Noch mehr Informationen

Alle Quellen zum Beruf sowie eine ausführlichere Beschreibung findet Ihr hier in diesem PDF.
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